Gibt es universelle Werte?

Vorletzten Sonntag habe ich mal wieder die „Sternstunde der Philosophie“ auf 3SAT  gesehen. Dort diskutierten zwei Philosophen über die Frage, ob wir überhaupt Werte brauchen und ob es objektive, universelle Werte gibt. Gerade, als ich über den Titel zu diesem Beitrag nachsann (schönes Wort, nicht wahr), kam mir in den dazugehörigen Sinn, dass das Wort „Wert“ ja auch etwas mit werten zu tun hat und sich für mich die Frage nach der Existenz von universellen, für alle Menschen gültigen Werten eigentlich schon beantwortet hat. Ich messe einer Sache einen bestimmten Wert zu, ich bewerte sie, d.h. es ist eine Frage meiner persönlichen Einschätzung, was ich als Wert anerkenne.

 

Die Politiker sprechen immer wieder von unsere „Wertegemeinschaft“ , die der „westlichen Welt“, die sich gerade in Wohlgefallen auflöst, wenn man in die USA schaut. Und auch die EU, die sich angeblich oder vielleicht auch den hehren Wünschen der Gründer entsprechend auf ein Wertesystem der Freiheit, Gleichheit und Solidarität gründet, ist zur Zeit alles andere als diese vielbeschworene Wertegemeinschaft.

Und dann stellt sich letztlich die Frage, ob es universelle Werte gibt und wer sie festlegt bzw. woher sie kommen. Vom Himmel gefallen sind sie sicher nicht oder vielleicht doch, denn wir als Christen – wenn wir denn welche sind – gründen uns doch zuerst einmal auf die 10 Gebote als grundlegende Richtschnur unseres Handelns. Aber auch diese Gebote wurden letztlich von Menschen formuliert.

Andere Religionen haben ebenso ihre Gesetze oder Werte formuliert, und welche sind denn nun richtig?

Philosophisch betrachtet, so ein Argument, könne man sich nicht auf eine Metaebene begeben und von dort aus beurteilen, welche Werte denn nun  die „richtigen“ sind. Vielmehr ist die Festlegung von moralischen Grundlagen für unser Handeln immer ein Aushandlungsprozeß von Menschen, die ihr Zusammenleben regeln möchten. Sie tun dies, indem verschiedene Werte oder Wertesysteme gegeneinander gehalten, abgewogen und nach ihrem Nutzen oder Schaden für die Gemeinschaft bewertet werden, und dies natürlich in Abhängigkeit von der jeweiligen Epoche und Herkunft.

Wir in der sogenannten westlichen Welt haben uns auf die  Einhaltung der Menschenrechte als universelle Rechte geeinigt, weil sie uns als die tragfähigste Grundlage für das Zusammenleben erscheinen. Daraus folgen weitere Ableitungen wie z.B. unsere Verfassung.

Allerdings erfolgt diese Wertfestsetzung längst nicht immer in einem mehr oder minder demokratischen Diskurs, sondern folgt oft genug den Machtinteressen weniger, die sich ihre Herrschaft durch die Unterwerfung der jeweiligen Bevölkerung unter das allgemeine Wertsystem sichern wollen.

Das beantwortet immer noch nicht die Frage, welche Werte sozusagen die Richtigen sind. Wer darf für sich beanspruchen, die Wahrheit zu kennen, zu bestimmen, was richig oder falsch ist?

Und wer sind wir, dass wir uns anmaßen, anderen Völkern unsere Werte aufzuoktroieren?

Für uns hier in Deutschland erscheinen uns Gleichheit und Gleichberechtigung von Mann und Frau heute weitgehend als selbstverständlich, aber selbst bei uns werden Frauen z. B. noch schlechter bezahlt als Männer. Und schauen wir mal in unsere neuere Geschichte zurück, in die 1960er und 1970er Jahre, die ich als Kind und junge Erwachsene noch erlebt habe (oh, wie hört sich das an!) Erst 1977 wurde ein Gesetz aus dem bürgerlichen Gesetzbuch aufgehoben, demzufolge Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten mussten, wenn sie arbeiten gehen wollten. Bis zum 1. Juli 1958 konnte ein Ehemann ein Arbeitsverhältnis seiner Frau ohne deren Zustimmung kündigen. Er hatte das alleinige Bestimmungsrecht über Frau und Kinder. Erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen. Das ist nicht mal 50 Jahre her und unsere Eltern waren damals sicher davon überzeugt, dass ihre Werte richtig waren. Ich erinnere mich noch gut daran, was bei uns zu Hause los war, als meine Mutter Ende der 60er Jahre eine Halbtagsstelle als Verkäuferin annehmen wollte. Mein Vater fühlte sich zutiefst in seiner Ehre als Ernährer der Familie gekränkt. Für meine Mutter war das ein vorsichtiger Schritt in eine gewisse Unabhängigkeit.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Wertesysteme Ausflüsse der jeweiligen Zeit und ihrer Denkweisen sind und daher immer wieder neu ausgehandelt werden müssen.

Nun können „wir“ vielleicht mit Fug und Recht behaupten, dass die Menschenrechte universell und für alle gültig sind. Aus unserer Sicht mag das richtig sein und ich stehe natürlich dazu, aber das heißt nicht, dass alle Welt dem folgt.

Gerade als ich mir die ersten Gedanken zu diesem Beitrag machte, sah ich im Fernsehen einen Bericht über einen rechtspopulistischen russischen Blogger, der regelmäßig westliche und östliche Militärstärke miteinander vergleicht, die östliche Stärke lobt und behauptet, der Westen würde Russland sofort überfallen, hätte er die erforderliche militärische Stärke. Und der letzte Satz aus dem Interview war, dass ihm unsere Werte doch gestohlen bleiben könnten, wäre doch alles Mist. Also gut, das ist ein Einzelfall, oder auch nein, ist es leider nicht. In diesem Fall würde ich persönlich sagen, der Mann hat Unrecht.

Bezüglich der Gültigkeit von Werten ist zusammenfassend zu bedenken, dass es auch meiner Meinung nach keine objektiven Werte gibt. Sie sind prozessoffen und müssen den jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Es ist sicher wünschens- und hoffenswert, dass wir uns alle auf die Menschenrechte als universelle Grundlage einigen und ihre Einhaltung gewährleisten.

Übrigens, und diese Anmerkung eines der Philosophen fand ich interessant: Es gibt aus philosophischer Sicht keine objektiven Werte, aber die Politik muss die Einhaltung bestimmter Werte bzw. daraus resultierender Gesetze kategorisch einfordern, um das Staatssystem zu sichern. Auch das ist nicht eindeutig, denn so kann jedes politische System seinen eigenen Werte – oder was sich so nennt – als allgemeingültig erklären, und Abweichungen bestrafen. Ich als Bürger würde darauf pochen, dass die Politik die Einhaltung der Menschenrechte als unsere universellen Werte einfordert und sicherstellt.

Einen gewissen Wertekanon vorausgesetzt, entwickeln die Völker ihre eigenen Konventionen, die auf diesen Werten beruhen, die aber von Gesellschaft zu Gesellschaft durchaus differieren. Und aus dieser Erkenntnis heraus können wir nicht erwarten, dass Menschen aus völlig anderen Kulturkreisen sich innerhalb kürzester Zeit und problemlos in unsere Gesellschaft integieren. Es bedarf viel Zeit und gegenseitigen Kennenlernens. Während der Europäer z.B. seine Ablehnung durch Kopfschütteln zum Ausdruck bringt, wiegt der Inder den Kopf hin und her, wenn er seine Zustimmung und Aufmerksamkeit bezeugt. Bei den Asiaten gilt das direkte Anschauen des Gegenübers als Affront, während wir das Wegschauen als solchen empfinden. Die Kenntnis dieser kulturellen Unterschiede und ein bisschen Demut im Hinblick auf unsere eigene Geschichte und den Wertewandel in unserer eigenen Gesellschaft könnte das gegenseitige Verstehen erleichtern!

Tschüss

Eure Claudia

 

 

 

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