Wenn ich nach einer Antwort auf die Frage suche, ob es eine besondere Geschichte gibt, die ich in Corona-Zeiten erlebt habe, so fällt mir als erstes dieser Gedanke ein, der mir kürzlich kam, als ich eine meiner vielen Radtouren durch die Ausläufer meines Wohnviertels, der „Wüste“, machte: Frieren Schafe eigentlich? Diese Frage versinnbildlicht, wie ich den Kopf frei bekomme, wenn ich wieder einmal den ganzen Tag in der Wohnung gehockt und keiner Menschenseele begegnet bin: ich schwinge mich auf meinen Drahtesel und fahre los. Ich trete in die Pedale und schon nach kurzer Zeit richtet sich meine Aufmerksamkeit auf das Unmittelbare, das Hier und Jetzt: zuerst die Häuser, Gärten, Geschäfte. Dann werden die Häuser rarer und weichen einem schmalen, asphaltierten Weg, den übrigens auch viele andere offenbar Gleichgesinnte und Frischluftsuchende mit mir bevölkern. Ich weiß nicht, ob sich auch in „normalen Zeiten“, aber was ist schon normal, so viele Menschen auf den Weg machen, zu Fuß, per Rad, joggend oder wie auch immer…Aber was soll man sonst auch tun, oder besser gesagt, was ist besser und befreiender als Bewegung an der frischen Luft?
In der letzten Zeit habe ich immer mal wieder alle möglichen kreuzende, abzweigende Wege nach alternativen Routen erforscht, mit mehr oder minder Erfolg. Die meisten endeten in Sackgassen oder auf Privatwegen. Aber sie eröffnen neue Perspektiven…für das Auge und den Geist. Und da traf ich eines Tages auf eine Wiese, auf der friedlich Schafe weideten. Ich (er-) fuhr diese neue Strecke dann mehrere Tage lang, bis der Weg, der eigentlich ein privater ist, aber wegen Tannenbaumverkauf zeitweise geöffnet war, seine Tore wieder schloss (es muss zur Erläuterung hinzugefügt werden, dass der Beginn dieses Berichts noch in die Winterzeit fällt, ja so lange ruhte er auf meinem Desktop). Ich beobachtete also fast täglich den Zustand bzw. das Bewegungsprofil der immer während hungrig scheinenden, dichtbefellten Tiere. Mal standen sie ohne besondere Ordnung verstreut auf der Grünfläche, mal drängten sie sich dicht aneinander, ein anderes Mal waren ihre Hinterteile alle nach Nord-Osten ausgerichtet. Bei näherem Hinsehen bzw. Hinzuziehung anderer, vor allem meteorologischer Aspekte, ergaben sich folgende, laienhafte, aber nicht einer gewissen Logik entbehrenden Rückschlüsse:
Schafe sind soziale Wesen. In übersichtlichen Situationen suchen sie sich individuell ihre Plätze zum fressen und entfernen sich auch schon einmal voneinander.
Bei Regen und vermutlich auch bei Kälte drängen sie sich dicht aneinander, um sich zu schützen und zu wärmen.
Starker Wind veranlasst sie offensichtlich, demselben ihr Hinterteil entgegen zuhalten, nach dem Motto: du kannst uns mal….
Warum ich den Beitrag jetzt noch zu Ende schreibe? Gute Frage: Erstens weil mir meine Beobachtungen über das Verhalten von Schafen erwähnenswert erscheinen für alle nicht so Fauna- bzw. Schafbewanderten. Zweitens, weil Corona den Blick weitet für Dinge, die man sonst wahrscheinlich links liegen ließe. Drittens, weil ich gestern einen Bericht über…. na was wohl … Schafe sah, der meine Beobachtungen ergänzte.
Um die Ausgangsfrage zu beantworten: Höchstwahrscheinlich frieren Schafe nicht, denn die Natur hat sie mit dem entsprechenden Fellschutz ausgestattet. Der Schäfer berichtete, dass seine Tiere auch im Winter und bei Minusgraden im Freien bleiben. Ich beobachtete allerdings auf „meiner“ Schafweide, dass dort ein nach drei Seiten geschlossenes Fuhrwerk stand, das mit Stroh ausgestattet war und den Schafen offensichtlich als Schutz gegen Kälte und vielleicht Regen diente. Daher meine vorsichtige Formulierung, dass Schafe vermutlich nicht frieren. Wäre für das Überleben auch schwierig. Das Fell ist übrigens sehr dicht und wasserabweisend! Allerdings fällt es bei herannahendem Frühling nicht von alleine aus, sondern muss geschoren werden. So gezüchtet, damit auch die Wolle noch vom Menschen genutzt werden konnte. Heute ist deutsche Wolle gegen chinesische nicht mehr konkurrenzfähig. Das zum Thema, die Chinesen sind überall….
So, und jetzt möchte ich noch auf einige sprachliche Besonderheiten eingehen, die ihr vielleicht – so wie ich – auch noch nicht kanntet:
Den Letzten beißen die Hunde: Ja, dieser Ausdruck kommt – dem Fernsehbericht zufolge – aus der Schafzucht: Schafe werden von Hunden gehütet und die sorgen dafür, dass die Schafe dorthin laufen, wo der Schäfer sie haben möchte. Entfernen oder weigern sie sich, werden sie von den Hunden gejagt und in die Beine gebissen, damit sie parieren.
Seine Schäfchen ins Trockene bringen: Neugeborene Lämmer sind noch nicht durch ein Fell geschützt und müssen deshalb ins Trockene, sprich in den Stall, gebracht werden.
Schafskälte meint einen nicht zwingend jährlich auftretenden mitteleuropäischen Kälteeinbruch zwischen dem 04. und 20. Juni, der die Temperaturen innerhalb weniger Stunden noch einmal rapide absinken lässt und die Schafe, die um diese Zeit bereits geschoren sind, in Gefahr bringt.
Nun ist es geschafft. Vielleicht habe ich euch auch das eine oder andere Neue nahe gebracht, vielleicht euer Wahrnehmung für Schafe geschärft, auf jeden Fall aber eure Aufmerksamkeit für einen Augenblick weg von Corona zu anderen wichtigen Dingen des Lebens gelenkt. Das wäre schööööön!
Bis bald mal wieder
Eure Claudia
