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Granufink und Co

Vorletzte Nacht: 04:45 Uhr. Nach dem Toilettengang ist es mit dem Schlafen vorbei. Ich weiß nicht, wie es meinen AltersgenossInnen geht, aber die Blase kann entweder nicht mehr so viel speichern wie früher, oder sie muss sich ihres Inhaltes öfter entledigen. Also, dass ich nicht weiß, wie es Gleichaltrigen ergeht, stimmt so nicht, denn erfahrungsgemäß setzt sich nach spätestens anderthalb Stunden während unserer Sitzungen im Büro eine Karavane Richtung Toilette und zurück in Bewegung, so dass es dann besser ist, erstmal eine Pinkelpause für alle anzusetzen. Was gesagt werden muss, muss gesagt werden.

Ich suche mir aus den gleichen Gründen bei Veranstaltungen wie z.B. im Kino immer schon einen Platz am Rand der Sitzreihe für den Fall der Fälle.

Da gibt es noch eine Anektdote aus meinem früheren Leben, die mir gerade wieder einfällt. Es ist allerdings bestimmt schon zehn Jahre her, dass ich mit einer Freundin mit der VHS eine Fahrt in die Fernsehstudios in Hamburg unternommen habe. Sehr interessant, das Fernsehen mal von drinnen zu erleben und am Pult der Nachrichtensprecher zu stehen.

Abends waren wir dann Statisten, nein Zuschauer, bei der  „Aktuellen Schaubude“. Gut, dass es Wikipedia gibt. Ich habe gerade den Werdegang der Aktuellen Schaubude nachgelesen und erfahren, dass sie bis 2009 regelmäßig ausgestrahlt wurde. Also muss es so lange her sein, dass wir dort waren. Damals war Ludger Abeln der Moderator. Ich kenne die Sendung aus frühester Kindheit (sie wurde 1957 das erste Mal ausgestrahlt), als noch die ganze Familie vor dem Bildschirm saß und gebannt zuschaute.

Zurück zu unserem Besuch: Während meine Freundin tierische Angst hatte, dass der Moderator das Wort an sie richten und sie etwas fragen könnte, ging ich alle 5 min zur Toilette, weil uns gesagt wurde, dass wir während der Sendung den Sendesaal nicht verlassen dürften. Was für ein Horror.

Und, wenn ich schon bei diesem Thema bin, muss ich zwangsläufig an die Werbung denken, um die ich ja nicht immer herumkomme. Ich schaue zwar fast nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen (was für ein Ausdruck, ist das andere nicht öffentlich und illegal, man weiß es manchmal nicht so recht), aber auch hier entkommt man der Werbung nicht immer. Und wenn ich dann verzweifelt von einem zum anderen Programm umschalte, läuft da garantiert auch gerade ein Werbbeblock. Also, wenn ich den Fernseher nicht so lange ausschalten will und dann eventuell einen Teil der Sendung verpasse, was im Allgemeinen auch kein Weltuntergang wäre, muss ich die Werbung über mich ergehen lassen. Auch wenn ich nur mit halbem Ohr hinhöre, haben sich Granufink und Prostagutt in mein Gedächtnis eingegraben. „Weniger müssen müssen“ schallt es durch meinen Kopf. Und „Prostagutt schützt die Sexualfunktion“. Ich frage mich kurz, wie die Zusammenhänge sind. Aber so genau muss ich dass auch nicht wissen.

Kurzum, bisher habe ich der Werbung widerstanden und meine nächtlichen Störungen so hingenommen. Bestimmte ungünstige Faktoren, wie das späte Trinken von Tee oder Stress, sind mir bekannt, und die kann ich entweder selbst beeinflussen oder muss sie hinnehmen, wie sie sind.

Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Vorgestern nacht 04:45 Uhr. Ich hellwach. Wenn ich um die Zeit raus muss, ist der Schlaf nicht mehr so tief, der Körper schon erholt, und wenn sich dann nur ein Gedanke zuviel in mein verschlafenes Gehirn einschleicht, ist es vorbei mit dem Schlafen.

Und dann läuft die Maschinerie unaufhaltsam an. Manchmal sind es angstvolle Gedanken, die sich in der Ruhe der Nacht Bahn brechen, mal geht mir durch den Kopf, was ich alles noch erledigen muss, mal melden sich meine kreativen Gehirnzellen und entwerfen schon die nächste Beiträge für meinen Blog.

Am besten wäre es, wenn ich gleich aufstehen und aufschreiben würde, was an Ideen alles aufkommt, aber dazu habe ich dann verständlicherweise auch keine Lust.

Ich hätte in der besagten Nacht schon eine Vorschau auf die nächsten 4/5 Beiträge machen können. Ihr könnt euch also vorstellen, was in meinem Kopf abgeht. Davon habe ich inzwischen aber vieles einfach wieder vergessen und muss nun auf die nächsten Eingebungen warten.

Also besser ohne Granufink, denn sonst sprudelt die nächtliche Quelle vielleicht nicht mehr.

 

Interview

C1: Claudia, warum hast du dich entschieden, einen eigenen Blog zu schreiben?

C2: Gute Frage! Der Gedanke dazu ist in Gesprächen mit meinem Sohn entstanden, der selbst im Internet unterwegs ist und seit einiger Zeit selbst Blogger ist, allerdings aus beruflichen Gründen. Er hat mich sozusagen angesteckt!

C1: Und was genau hat dich an der Idee gereizt, einen Blog zu schreiben. Für die „ältere Generation“ vielleicht nicht ganz so üblich, für Frauen wahrscheinlich noch weniger.

C2: Ich habe keine Ahnung, wie viele Frauen in meinem Alter einen Blog schreiben. Es gibt sicherlich welche oder sogar viele….aber wie erfährt frau davon? Auf jeden Fall schreibe ich schon immer gerne und in meinem Keller lagern,  ich will nicht sagen „Meter“ von Tagebüchern, aber doch eine ganze Kiste voll. Das Bloggen könnte eine Art Fortsetzung des Tagebuchschreibens werden.

C1: Aber öffentlich!

C2: Ja, das stimmt. Sehr öffentlich.

C1: Offensichtlich bist du bereit, deine Gedanken in die Öffentlichkeit zu tragen. Hast du keine Befürchtungen …..

C2: Doch habe ich. Deshalb habe ich ja auch lange überlegt, ob ich diesen Schritt wirklich mache und ich bin mir auch überhaupt nicht sicher, ob dass der richtige Weg ist, meine Gedanken mitzuteilen. Eine Freundin meinte letztens zu mir, ich könnte mich ja auch mit Freundinnen treffen und persönliche Gespräche über die Themen führen, die mich bewegen.

C1: Was hast du geantwortet?

C2: Dass sie Recht hat. Das tue ich natürlich auch. Aber so viele Treffen kann ich gar nicht wahrnehmen bei all dem, was mir so durch den Kopf geht und was ich dann auch irgendwie bearbeiten muss, damit die liebe Seele Ruhe hat.

C1: Trotzdem scheint das Bedürfnis zu schreiben doch stärker zu sein als die Ängste.

C2: Ja, im Moment noch. Wie ich vorhin schon gesagt habe, schreibe ich einfach auch sehr gerne und kann mich auf diese Weise „austoben“. Wenn dann noch die eine oder andere oder auch der eine oder andere meine Texte liest, macht das natürlich noch mehr Spaß!

C1: Nun zu den Inhalten: Worüber schreibst du?

C2: Naja, du hast ja sicherlich/hoffentlich schon einige meiner Texte gelesen. Im Moment geht es hauptsächlich um das Thema älter werden, denn das beschäftigt mich ganz klar am meisten: Die Veränderungen, die frau an sich selbst wahrnimmt, die Erfahrungen mit dem Sterben der Eltern…auf der anderen Seite aber auch die Frage, was ich noch an neuen Dingen erleben kann und das ist auch nicht wenig. Ich denke, diese Gedanken machen sich viele oder sogar alle Menschen oder Frauen in meinem Alter: Was bleibt jetzt noch, was will und kann ich noch? Was füllt mein Leben aus und was hake ich einfach ab. Eigentlich schreibe ich über alles, was mich bewegt im wahrsten und übertragenen Sinne des Wortes.

C1: Das wäre?

C2: Na zum Beispiel sportliche Aktivitäten, Lesen, Kino aber auch die politische Situation.

C1: Nochmal die Frage: Warum schreibst du diesen Blog? Ist das nicht auch eine Art Ego-Trip? Frau hält ihre Gedanken für so wichtig, dass sie sie veröffentlicht?

C2: OK. Da mag was dran sein. Andererseits bin ich nicht wirklich der extrovertierte Typ. Aber vielleicht stimmt meine Selbstwahrnehmung in diesem Punkt auch nicht. Ich weiß es nicht. In erster Linie möchte ich meine Gedanken mit anderen Menschen teilen. Leider muss ich feststellen, dass das noch nicht wirklich funktioniert, wenn ich mir die Leserstatistiken anschaue. Wenn ich zum Beispiel ein gutes Buch gelesen oder eine neue Sportart für mich entdeckt habe, macht es doch Sinn, anderen davon zu erzählen, um ihnen Anregungen zu geben. Ja darum geht es mir auch: anderen Leuten vielleicht neue Ideen zu geben, so wie mir z. B. mein Sohn immer wieder neue Anregungen gibt. Das finde ich toll.

Ich will es mal so sagen: natürlich tue ich das für mich. Einerseits habe ich Spaß am Schreiben, andererseits ist es für mich auch ein wichtiges Mittel, um mich mit Problemen auseinanderzusetzen. Aber ich habe auch immer ein mögliches Gegenüber im Blick. Ein unsichtbares zwar, aber ich denke doch darüber nach, was ich anderen mitteilen möchte und was für sie wichtig sein könnte. Gerade in punkto älter werden machen wir doch oft identische Erfahrungen und es tut gut zu hören, dass es anderen Menschen ähnlich ergeht. Wenn ich zum Beispiel darüber schreibe, dass mir …äh…immer wieder die Worte fehlen…äh …..was wollte ich noch sagen….äh, achja, dass mir die Namen von Schauspielern regelmäßig abhanden kommen (oh nein, jetzt habe ich was verraten, den Artikel habe ich ja noch gar nicht veröffentlicht, hab ich ganz vergessen), dann werden wahrscheinlich viele sagen: oh ja , so geht’s mir auch und schon ist es etwas leichter zu ertragen…finde ich.

C1: So weit so gut. Du sagst, du möchtest Erfahrungen mit anderen teilen, aber das, was du schreibst sind dann doch auch sagen wir „Allerweltsgedanken“.

C2: Ja, das stimmt. Hat meine Schwester kürzlich auch gesagt, nachdem sie einen Artikel gelesen hatte. Und vielleicht wird die ganze Bloggerei dadurch auch recht schnell ihr Ende finden, weil ich keine großen neuen Wahrheiten werde verkünden können, die die Menschheit voran bringen. Dazu reichst dann doch nicht. Man wird ja sehen….

C1: Du schreibst auch viel über deine Erinnerungen.

C2: Das ist natürlich auch ein wichtiges Thema. Ich habe in meinem Leben bisher nie viel darüber nachgedacht, was ich schon alles erlebt habe, aber durch den Tod meiner Mutter und wahrscheinlich auch durch das zunehmende Alter ändert sich das gerade. Vielleicht müssen wir uns im Alter immer und immer wieder – zum Leidwesen unserer Umgebung – erinnern an das, was wir alles erlebt haben, um alles zu integrieren und den Kreis letztlich zu schließen, wenn die Zeit gekommen ist. Und speziell die Erinnerung an meine Mutter und jetzt auch verstärkt wieder an meinen Vater, der schon 1996 verstorben ist, ist ja auch wichtig für die Verarbeitung dieses Verlustes. Bei einem Besuch auf dem Friedhof am Grab meiner Mutter und meines Vaters sagte meine Schwester, jetzt sei es ihr gerade richtig bewusst geworden, dass sie „Waise“ sei. Ja, und der Gedanke tut weh! Wir haben jetzt keine Eltern mehr.

C1: Ich merke schon, ein schwieriges Thema!

C2: Nein, so sehe ich das nicht. Ja, ich bin noch oft traurig, wenn ich an meine Mutter denke, aber in erster Linie sehr, sehr dankbar, dass ich sie hatte. Mein Verhältnis zu meinem Vater war zwiespältig, aber im Nachhinein bin ich auch genauso dankbar, ihn gehabt zu haben. Ohne die beiden wären meine Schwester und ich schließlich gar nicht hier und ich könnte auch keinen Blog schreiben!!!

C1: Das war ein schönes Schlusswort, Claudia. Ich danke dir, dass du auf alle meine Fragen so freimütig geantwortet  hast und wünsche dir viel Erfolg bei deinem Blog oder bei dem, was dir sonst noch so einfällt!

Ich danke dir auch, Claudia!