Archiv der Kategorie: Erinnerungen

Borkum und zurück – ein persönliches Reisetagebuch

Borkum, was soll ich sagen, was diese Insel für mich bedeutet?

Sie ist ein Stück eigener Geschichte mit Erinnerungen an und aus den verschiedenen Phasen meines Lebens, sie ist meine Lieblingsinsel im Hochseeklima….warum, das werde ich versuchen, euch nahe zu bringen in meinem Reisetagebuch…..

Am 9. August 2016 starte ich. Es ist ein wechselhafter, kühler Tag. Für die Hinfahrt entscheide ich mich für die Fähre, die 2 – 2 1/2 -Stunden von Emden aus braucht und mir die Möglichkeit gibt, schon mal etwas zu entspannen auf dem Weg ans Ziel. Ich fahre mit der „Ostfriesland“, die umgebaut wurde in ein hochmodernes Schiff mit umweltfreundlichem Gasantrieb. Das Wetter erlaubt mir nur kurze Aufenthalte auf dem Oberdeck, wenn es gerade mal nicht regnet. Der Ausblick auf das weite Meer fasziniert mich wie immer (siehe oben).

Auf Borkum angekommen, werden die Reisenden mit der „Bimmelbahn“ zum Borkumer Bahnhof gebracht, von wo aus sie in alle Richtungen in ihre Quartiere streben. Ich habe dieses Mal meine schwere Reisetasche vorausgeschickt (oh, was für eine Erleichterung!) und miete so umgehend für 14 Tage ein Fahrrad  (50 €) und fahre damit sogleich in meine Pension in der Westerstraße. Ich bin, seit ich im letzten Jahr hier war, gleich als „Stammgast“ eingeordnet worden (ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll?), was mir allerdings ein größeres Zimmer mit dem Preis zu dem eigentlich gebuchten kleineren eingebracht hat. Also, keine Klagen.

Und da bin ich schon beim Thema Unterkunft. Ich habe darüber nachgedacht, wann ich das erste Mal hier war. Es muss 1967 gewesen sein (oh Schreck, wie lange ist das schon her und wie viele Wellen haben sich seitdem am Strand gebrochen?). Damals noch mit meinen Eltern auf dem Campingplatz. Mit Sack und Pack und Zelt mit der Bahn nach Emden und dann rüber auf die Insel. Mehr Stress als sonst was, der sich noch erhöhte beim Aufbau des Zeltes, der sich regelmäßig zu Ehe- oder ganzen Familiendramen auswuchs. Einmal erlebten wir gar einen Wirbelsturm. Die Zeltstangen bogen sich, das Wasser drohte  ins Zelt einzudringen und konnte nur mit dem Einsatz der ganzen Familie beim Ausbaggern von Regenrinnen aufgehalten werden….

Aber ich will die schönen Seiten dieses Übernachtens in der freien Natur nicht unterschlagen! Toll, morgens aus dem Zelt zu steigen und  sich mit vielen anderen im gemeinsamen Waschraum grundzureinigen. Nein, echt, als Kind hat mir das Spaß gemacht, immer draußen sein und essen zu können, war klasse.

Dann wechselten wir 1969 in eine feste Unterkunft, in das kleine Zimmer des Försters, der ab und zu Auszubildende (sogenannte Eleven) hatte, die dort untergebracht waren. Es war wirklich nur ein Zimmer oberhalb der Försterwohnung in den Dünen, das meine Mutter und ich bewohnten. Dusche und Toilette nutzen wir in der Wohnung des Försters. Ich streunte durch die Dünen und fand auch ab und zu mal totes Getier….

In den folgenden Jahren zogen wir für die Urlaubszeit in das Schlafzimmer des Försters um (kann mich gar nicht erinnern, wo er und seine Frau für die Zeit blieben) und frühstückten in seinem Wohnzimmer. Die Familie war sehr nett und gastfreundlich und das Schönste für mich war, dass ich mit den beiden Hunden spazieren gehen durfte! Was mich als Tierschützerin allerdings auf die Barrikaden brachte, waren die Tage, an denen ein Reh oder ein Bock geschossen worden war. Die Einzelheiten will ich euch ersparen. Jedenfalls trafen sich die Jäger anschließend im Försterhaus, bliesen das Halalili und begossen ihren Schuss (Schuß).

Ich will noch erwähnen, dass der Weg, der am damaligen Forsthaus vorbeiführte, den Namen des Försters – Erich Rothkirch – erhalten hat wegen der vielen Verdienste des Försters für den Naturschutz! Wenn ihr mal eine Planwagenfahrt ins Ostland macht, werdet ihr dort hindurch fahren und ich nehme an, der Kutscher wird euch davon erzählen. Ja, und ich habe ihn gekannt!

So, da bin  ich nun schon mitten drin in den Erinnerungen!

Nachdem ich die Vermieterin begrüßt und meine Schlüssel in Empfang genommen habe, gehe ich zum „City Center“, dem Edeka-Markt im Zentrum, um meine Reisetasche bei der dortige Poststelle abzuholen.

Es ist schon früher Abend und ich gehe – das muss sein – die Bismarkstraße hinauf zum Strand, um zu sehen, was sich alles verändert hat seit dem letzten Jahr…Auf dem Rückweg gehe ich auch noch durch die Franz-Habich-Straße, die Fortsetzung der Fussgängerzone jenseits der Gleise und esse im „Knurrhahn“ eine Portion Kibbeling mit Pommes und Remoulade. Der Knurrhahn hat so etwas wie Kultstatus. Von der Größe her eher ein Imbiss, die Küche ist sehr gut, alles frisch und vor allem vor den Augen der Gäste zubereitet. Wie der Name schon sagt: Fisch in allen Variationen. Mich fasziniert weniger das „Ambiente“ als die Menschen hinter dem Tresen. Der Italiener, der die Bestellungen aufnimmt, muss ein fotographisches Gedächtnis haben. Es kann dir passieren, dass du bestellst und wenn du 15 oder 20 Minuten später bezahlen willst, weiß er noch, was du bestellt hattest, ohne auf seinen Zettel zu schauen. Faszinierend. Ebenso wie das Tempo, in dem dort gearbeitet wird. Unglaublich! Ich frage mich, wie viele Jahre man so etwas durchhalten kann…

So, das war der erste Tag…

 

Du fehlst mir…

….Mama.

Wenn ich mit meiner Schwester telefoniere, unterhalten wir uns meistens auch noch über unsere Mutter, die jetzt gerade ein Jahre tot ist. Wir erinnern uns gemeinsam, und das tut gut.

Meine Schwester erzählt mir, dass die Erinnerung meistens wie aus heiterem Himmel kommt aus einer bestimmten Situation heraus. Bisher habe ich es nicht so erlebt, vielmehr ist meine Mutter eigentlich immer sehr präsent (nun, ein Foto von ihr steht in meinem Wohnzimmer).

Heute Morgen traf es mich allerdings wie der Blitz.

Gegen meine Gewohnheit, und weil ich kein Brot mehr im Haus hatte, legte ich ein gefrorenes Brötchen, das noch von meinem Geburtstag übrig geblieben war, auf den Toaster. Als das Brötchen durch das Erhitzen seinen Geruch in der ganzen Wohnung verströmte, durchfuhr es mich:

Meine Mutter holte sich jeden Morgen ein Brötchen aus dem Eisfach und backte es   auf. Das war eine ihrer größten Freuden, wenn sie in das frisch aufgebackene Brötchen beißen konnte.

Als mir jetzt dieser Geruch in die Nase stieg, standen mir die Tränen in den Augen!

Mama, du fehlst mir!

 

 

Vor 32 Jahren….

Heute nachmittag war es mal wieder so weit: mein Schreibtisch, der Esstisch und auch noch der kleine runde Tisch vor meinem Sofa verschwanden samt und sonders unter irgendwelchen Papieren, Postkarten, Bildern usw. usw., so dass ich nicht umhin konnte, „Ordnung zu schaffen“ (Einschub: bei diesen Worten erinnere ich mich an eine andere Szene, die mit diesem Artikel nichts zu tun hat, mir aber immer im Gedächtnis geblieben ist, wobei ich mich jetzt schon frage, ob ich inzwischen auch „so geworden bin“. Ich war mit meinem damaligen Freund und späteren Ehemann auf dem Weg mit TUI-Reisen nach Spanien. Ich hatte gerade mein erstes Staatsexamen hinter mich gebracht und zur Erholung und Belohnung fuhren wir also los. Wir teilten uns das Abteil mit einem „älteren Ehepaar“ – ich nehme an, sie waren etwa so alt, wie ich gerade jetzt. Nach einer etwas unruhigen Nacht im Liegewagen, ruckelten wir uns und das Abteil wieder so zurecht, dass alle Platz nehmen konnten und einer der beiden den Ausspruch machte: „Jetzt kehrt wieder Ruhe ein“. Ich muss das wohl damals als so, ja wie eigentlich, so naja spießig oder nein, so na eben so typisch für alte Leute gehalten haben, dass ich wahrscheinlich gehofft habe, nie in so einen Zustand zu kommen, in dem mir die Ruhe so wichtig ist und sich mein Wohlbefinden daran fest macht, dass die Betten gemacht und alles wieder an seinem Platz ist.

Ähem, habe ich gerade gesagt, es war heute Zeit, mal wieder #Ordnung zu schaffen?. Also gut, ja, ich habe erkannt, dass Ordnung per se nichts Anrüchiges ist. Kommt drauf an, ob man/frau sie als Selbstzweck betrachtet und ihr ständig hinter läuft, oder ob sie – wie ich es heutzutage  empfinde – auch ein Ausdruck von Klarheit ist. Denn ich stelle fest, dass sich innere und äußere Ordnung bei mir oft bedingen. Wenn ich mit mir nicht im Reinen bin, sieht es auch in meiner Wohnung entsprechend aus. Da ich von Natur aus eher chaotisch bin und mich schwer tue, mein Leben zu ordnen….gibt es mir (manchmal) ein besseres Gefühl, wenn wenigstens meine Wohnung eine gewisse Struktur hat.

Aber jetzt habe ich völlig am eigentlichen Thema vorbei geschrieben.

Beim Aufräumen bin ich auf einen Artikel gestoßen, den ich vor 32 Jahren geschrieben habe. Mir wird immer ganz schwindelig, wenn ich mich an Vergangenes erinnere und die Zeitspanne abmesse, die bisher ins Land gegangen ist! Glaubt’s mir.

Jedenfalls war ich gerade nach Osnabrück gezogen und hatte mich zu einem Seminar auf Wangerooge angemeldet, da ich eine große Liebhaberin der Nordsee bin (meine Lieblingsinsel ist allerdings immer noch Borkum, wo ich mir mindestens einmal im Jahr den Nordseewind um die Ohren wehen lassen muss). Ich kann mich nicht mehr erinnern, was für ein Seminar ursprünglich geplant war. In dieser Form kam es jedenfalls nicht zustande und wurde in ein Seniorenseminar umfunktioniert. Da ich mich so gefreut hatte, bin ich trotzdem als „Küken“ mitgefahren. Die Teilnehmer*innen waren vermutlich etwa in meinem heutigen Alter oder etwas drüber. Neben Workshops – so nannte man/frau das damals natürlich noch nicht – aber auch ich bin ja mit der Zeit gegangen -in Umweltschutz und Europapolitik (sic, das gab’s damals auch schon) – konnte frau sich kreativ mit verschiedenen Techniken, u.a. Seidenmalerei, beschäftigen. Ich mache auch mal gerne etwas mit den Händen, was Handfestes sozusagen, dass ich mich dort einfädelte. Für mich war das wahrscheinlich die erste bewusste Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit dem älter werden und alt sein, und ich war so – ja wohl offensichtlich – beeindruckt, dass ich hinterher besagten Artikel schrieb, der tatsächlich auch in einer Zeitung abgedruckt wurde (es ist allerdings bei diesem einen Artikel geblieben, bis heute, denn jetzt starte ich ja gerade einen neuen schriftstellerischen Anlauf – hahaha).

Und was habe ich damals als Fazit mit meinen 27 Jahren schon geschrieben:

„Für mich als jüngstes Mitglied war dieses Seniorenkolleg Anlass, mich mit den Problemen der älteren Generation auseinanderzusetzen und mehr Verständnis zu entwickeln.Wichtig aber erscheint mir vor allem, mehr ältere Leute, die vielleicht für sich schon keine Perspektive mehr sehen, zu ermuntern, sich an Aktivitäten wie diesem Seminar zu beteiligen“.

Na, da habe ich doch schon den Durchblick gehabt und gewusst, was ich 32 Jahre später für mich wieder erkannt habe!

Es ist nun mal eine Tatsache, dass die #Erinnerungen in fortgeschrittenem Alter einen größeren Platz im Leben einnehmen. Logischerweise. Also, vielleicht hört sich das jetzt alles so an, als fühlte ich mich schon richtig alt. Nee, nein, im Kopf fühle ich mich – abgesehen von meinen Gedächtnislücken – noch oft genug so unvernünftig oder schlimmer als vor 40 Jahren, aber die zunehmenden #Lebenserfahrungen auch mit dem Alter und dem Sterben geben dem Leben schon eine andere Qualität und machen dann auch nachdenklicher.

Wohin wollte ich eigentlich mit dem heutigen Artikel? Mir geht’s da wie anderen Bloggern….wer fühlt sich da jetzt gerade angesprochen  – ich weiß am Anfang nicht, wo ich am Ende lande und es treibt mich zwischendurch dann immer mal in die eine oder andere Richtung ab ( wie auf hoher See, um im Bild zu bleiben).

Klar, ich wollte über meinen Artikel von vor 32 Jahren schreiben und meine damaligen Gedanken zum Thema älter werden. Was ich doch auch irgendwie getan habe mit einigen Abschweifungen.

Während des Schreibens habe ich nachgedacht, warum dieser Zeitungsartikel von damals noch in meinem Postkörbchen auf dem Schreibtisch lag, denn ich hatte ihn vor langer Zeit irgendwo unter der Rubrik „Erinnerungen“ abgelegt. Es ist mir wieder eingefallen, tatsächlich,  und damit noch eine Erinnerung an meinen Vater Gerhard, der schon 1996 verstorben ist. Er war ein ziemlicher „Luftikus“ (schätze, dass das Wort heute auch nicht mehr wirklich „in“ ist – egal), ein „Hans Dampf in allen Gassen“ – oh Mann, komme ich mir alt vor, wenn ich diese  Begriffe verwende. Naja, jedenfalls hat er nebenberuflich für die Lokalzeitung geschrieben – Anekdoten aus dem Leben, wie ich jetzt, Sozial- und  Gewerkschaftspolitisches, aber auch für den Kaninchenzuchtverein. Also, das Schreiben war sein Hobby und er war sich auch nicht schade, für besagten Kaninchen- oder Bienenzuchtverein das Wochenende zu opfern, um noch ein paar Mark dazu zu verdienen, damit die Familie dann im Sommer zum Zelten an die Nordsee fahren konnte. Ich verliere mich schon wieder….Es gibt halt einiges zu erzählen….

Kurzum: Als wir nach dem Tod meiner Mutter ihre Wohnung auflösen mussten, fanden wir den genannten Artikel von mir in den Unterlagen meines Vaters! Er hat nie mit mir darüber gesprochen, aber ich glaube, er war doch ein bisschen stolz auf seine Tochter. Es hat mich sehr berührt, dass er den Artikel aufbewahrt hat. Nun hat es mich nie dazu getrieben, in das journalistische Fach zu gehen, aber eine gewisse Neigung scheine ich vom Vater mitbekommen zu haben. Was er wohl dazu sagen würde, wenn er läse, was ich hier seit einiger Zeit so von mir gebe? Ja, Papa, das habe ich doch von dir mitgekriegt!!!

Und? Ich bin sicher, die eine oder andere #Erinnerung wird sich auch bei euch – wer ist denn euch – ich weiß es nicht – einstellen.

Bis dahin

Claudia