Archiv der Kategorie: Alltagsgeschichten

Eine neue Brücke in 3 (4) Akten

Ich wundere mich immer wieder, dass die Themen für eventuelle neue Beiträge eigentlich auf der Straße, oder wie in diesem Fall mal wieder, auf dem Behandlungsstuhl meines Zahnarzt liegen. Nachdem ich das letzte Mal fast von eben diesem gefallen wäre wegen einer mangelhaften Konstruktion bzw. fehlerhaften Stellung im Vergleich zum Behandlungsstuhl, musste ich mich dieses Mal zwangsläufig in Behandlung begeben. Ja, wie war es eigentlich dazu gekommen? Nichtsahnend war ich pflichtgemäß zum Kontrolltermin gegangen. Alles gut? Hättest du wohl gerne gehabt. Trotz emsiger Pflege meiner eigenen und auch der schon ersetzten und überkronten Beißwerkzeuge hatte sich der böse Karies unter eine undichte Krone gesetzt, ohne mich zu fragen, ohne mich zu benachrichtigen, ohne zu zögern und ohne jedes Mitleid für seinen Wirt. Dort konnte er nun ungestört sein Werk vollenden. Der Zahnarzt machte ein ernstes Gesicht und meinte, naja, da ist wohl nicht mehr viel zu retten. Es war tatsächlich nicht mehr viel da vom Zahn (ich gehe jetzt bewusst und mit Rücksicht auf die Vorstellungskraft meiner Leser und Leserinnen nicht näher ins Detail).

Der langen Rede kurzer Sinn – ich liebe diesen Ausdruck – um mich kurz zu fassen – an der besagten Krone hing noch eine Brücke, d.h. es würde eine größere Aktion werden.

Drei Termine wurden vereinbart.

Ich hatte noch eine vage Erinnerung daran, wie es mir beim ersten und zweiten Mal meiner Bekronung ergangen war. Das erste Mal ist schon Ewigkeiten her und ich bin dem Zahnarzt (aus Münster, wie hieß er doch noch…irgendwas mit W am Anfang mit Praxis am Prinzipalmarkt, aber ist auch egal, den gibt’s wahrscheinlich schon gar nicht mehr) heute noch böse bzw. ergreift mich die ungezügelte Wut, dass er mir im zarten Alter von 18 Jahren mehrer Zähne meinte überkronen zu müssen. Bis dato waren meine Zahnärzte durchaus mit mir zufrieden gewesen und bis auf ein paar Plomben (damals noch aus Amalgam) war alles gut gewesen. Nicht so nach der Auffassung dieses Zahnarztes. Auch die Krankenkasse und die Eltern sprachen mir zu und na gut, in dem Alter vertraut man den Menschen ja auch noch. Jedenfalls habe ich, wie wahrscheinlich viele seiner PatientInnen, damit seine Großwildjagden finanziert, derer er sich brüstete (ich wollte nur zeigen, dass ich den Genetiv als älterer Jahrgang durchaus noch beherrsche).

Eins zieht das andere nach sich. 20 Jahre später musste das Ganze erneuert werden. Das war notwendig, die Ärztin kompetent, aber das Leiden wieder groß: alle betroffenen Zähne neu abschleifen, abdrücken (Kurzform für Abdruck machen lassen), neue Kronen anprobieren, aufsetzen. Ich kurz vorm Kreislaufkollaps. Zuviel Betäubungsmittel. Kurz vorm Abtransport zum Notarzt.

Und jetzt, 20 Jahre später, geht’s wieder los. Ich muss zu meiner Ehrenrettung sagen: Ich habe meine Zähne immer liebevoll und sorgfältig gepflegt schon aus eigenem Interesse. Aber wenn die Kronen nicht mehr ganz dicht sind, dann gräbt sich der Karies eben eine Höhle.

Soweit zur Vorgeschichte, die ich einfach nicht auslasssen kann. Zu traumatisch das Ganze!

So, erster Termin. Am meisten Angst hatte ich vor der Spritze in den Unterkiefer. Sehr unangenehme Geschichte. Da der Zahn aber nicht mehr ganz so lebendig war, genügte eine örtliche Betäubung, so dass ich schon glaubte, mit einem blauen Auge bzw. einer örtlichen Sedierung davon gekommen zu sein.

Aber dann kam der ominöse Abdruck, oder besser gesagt, die beiden Abdrücke. Der erste, ziemlich weiche, machte noch keine Probleme, abgesehen davon, dass er zweimal wiederholt werden musste, weil er nicht das gewünschte Ergebnis erbrachte, sondern lediglich Krümel im Mund und im Abdruck zurückließ. Dann kam ein zweiter Abdruck. Diesmal wurden härtere Geschütze aufgefahren.

Die beiden Abdrücke hatten jeweils verschiedene Farben, der erste weiche, bezeichnenderweise rosa, der zweite grün. Wofür steht die Farbe grün? Seit eben diesem Tag für „Hass“. Ich benutze dieses Wort eigentlich nie, aber da man Abdruckmaterial ja nicht beleidigen kann, lasse ich meinen Emotionen ungebremsten Lauf.

Man/frau kann sich vielleicht vorstellen, was jetzt kommt?

Ja genau, das Material wurde härter und härter…Drei Zahnarzthelferinnen um micht herum, die sich bemühten, die Abdruckschale wieder zu entfernen. Zwecklos jedes Zerren und Ziehen der zarten weiblichen Hände. Nun musste der Zahnarzt ran. Ehrlich gesagt, war ich bis dahin noch nicht so ganz überzeugt von seinen Qualitäten. Ich trauerte auch immer noch „meinem“ in die Schweiz entflohenen Zahnarzt nach.

Aber bevor ich ihm dann doch zutiefst dankbar war, mich so beherzt vom Abdruck befreit zu haben, dachte ich, er würde mir zusammen mit dem Abdruck sämtliche Zähne gleich mit herausreißen. Ich kann es nicht beschreiben. Wer es noch nicht erlebt hat, kann es auch nicht nachempfinden. Du hast ehrlich Angst, dass das Ding für immer in deinem Kiefer stecken bleibt. Der Zahnarzt fuhrwerkte mit seinen Händen in meinem Kiefer rum und zerrte und zog, und zog und zog und zog…..Irgendwann schaffte er es doch noch. Er ist bestimmt genauso ins Schwitzen gekommen wie ich.

Oh, wie sehr brauchte ich jetzt sein Lob, dass ich tapfer gewesen sei. Was blieb mir auch anderes übrig.

Tief durchatmen. Auch jetzt noch, zwei Wochen später.

Beim zweiten Termin alles harmlos! Der erste Entwurf der neuen Brücke wurde angepasst. Das Provisorium, das ich zur Überbrückung bekommen hatte, hielt, es sollte aber auch nicht übermäßig gebraucht werden, so dass ich Krämpfe auf der jetzt mit Kauen überforderten linken Kieferseite bekam. Diese musste dann wieder eine Physiotherapeutin entspannen. Ich laufe jetzt also gerade hin und her zwischen Zahnarzt und Physiotherapeutin, um mich so halbwegs im Gleichgewicht zu halten. Vielleicht brauche ich anschließend auch noch eine Therapie.

Wie gesagt, alles nicht so schlimm beim zweiten Mal. Gegen Ende wurde mir noch eine Apparatur vor das Gesicht und auf die Nase geschraubt, um das richtige Verhältnis von Ober- und Unterkiefer auszumessen. Schade, dass ich davon kein Photo machen konnte.

Heute nun der dritte Termin: Auf dem Plan: Einsetzen der neuen Brücke. Sollte alles schnell gehen. Der Zahnarzt setzte sie, die neue Brücke, ein und mir fiel sofort auf, dass alle Zähne der Brücke – auch die hinteren Backenzähne, die wegen der Symetrie nicht verblendet sein sollten – verblendet waren. Auch der Zahnarzt bemerkte dies sofort. Außerdem stimmte die Farbe nicht mit der meiner noch mir eigenen Zähne überein. Der Techniker musste geholt werden. Er bot mir an, die Brücke mit den Verblendungen zu behalten. Mir würden keine Extrakosten entstehen. Mit der Begründung, dass weniger Metall im Mund auch gesünder sei, köderte er mich schließlich. Die Farbgebung muss allerdings noch korrigiert werden.

Am Freitag soll dann der 4. und hoffentlich letzte Akt der ganzen Operation stattfinden.

Bloggen ist auch immer Selbsttherapie!

Bis dahin, und passt gut auf eure Zähne auf!

 

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Granufink und Co

Vorletzte Nacht: 04:45 Uhr. Nach dem Toilettengang ist es mit dem Schlafen vorbei. Ich weiß nicht, wie es meinen AltersgenossInnen geht, aber die Blase kann entweder nicht mehr so viel speichern wie früher, oder sie muss sich ihres Inhaltes öfter entledigen. Also, dass ich nicht weiß, wie es Gleichaltrigen ergeht, stimmt so nicht, denn erfahrungsgemäß setzt sich nach spätestens anderthalb Stunden während unserer Sitzungen im Büro eine Karavane Richtung Toilette und zurück in Bewegung, so dass es dann besser ist, erstmal eine Pinkelpause für alle anzusetzen. Was gesagt werden muss, muss gesagt werden.

Ich suche mir aus den gleichen Gründen bei Veranstaltungen wie z.B. im Kino immer schon einen Platz am Rand der Sitzreihe für den Fall der Fälle.

Da gibt es noch eine Anektdote aus meinem früheren Leben, die mir gerade wieder einfällt. Es ist allerdings bestimmt schon zehn Jahre her, dass ich mit einer Freundin mit der VHS eine Fahrt in die Fernsehstudios in Hamburg unternommen habe. Sehr interessant, das Fernsehen mal von drinnen zu erleben und am Pult der Nachrichtensprecher zu stehen.

Abends waren wir dann Statisten, nein Zuschauer, bei der  „Aktuellen Schaubude“. Gut, dass es Wikipedia gibt. Ich habe gerade den Werdegang der Aktuellen Schaubude nachgelesen und erfahren, dass sie bis 2009 regelmäßig ausgestrahlt wurde. Also muss es so lange her sein, dass wir dort waren. Damals war Ludger Abeln der Moderator. Ich kenne die Sendung aus frühester Kindheit (sie wurde 1957 das erste Mal ausgestrahlt), als noch die ganze Familie vor dem Bildschirm saß und gebannt zuschaute.

Zurück zu unserem Besuch: Während meine Freundin tierische Angst hatte, dass der Moderator das Wort an sie richten und sie etwas fragen könnte, ging ich alle 5 min zur Toilette, weil uns gesagt wurde, dass wir während der Sendung den Sendesaal nicht verlassen dürften. Was für ein Horror.

Und, wenn ich schon bei diesem Thema bin, muss ich zwangsläufig an die Werbung denken, um die ich ja nicht immer herumkomme. Ich schaue zwar fast nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen (was für ein Ausdruck, ist das andere nicht öffentlich und illegal, man weiß es manchmal nicht so recht), aber auch hier entkommt man der Werbung nicht immer. Und wenn ich dann verzweifelt von einem zum anderen Programm umschalte, läuft da garantiert auch gerade ein Werbbeblock. Also, wenn ich den Fernseher nicht so lange ausschalten will und dann eventuell einen Teil der Sendung verpasse, was im Allgemeinen auch kein Weltuntergang wäre, muss ich die Werbung über mich ergehen lassen. Auch wenn ich nur mit halbem Ohr hinhöre, haben sich Granufink und Prostagutt in mein Gedächtnis eingegraben. „Weniger müssen müssen“ schallt es durch meinen Kopf. Und „Prostagutt schützt die Sexualfunktion“. Ich frage mich kurz, wie die Zusammenhänge sind. Aber so genau muss ich dass auch nicht wissen.

Kurzum, bisher habe ich der Werbung widerstanden und meine nächtlichen Störungen so hingenommen. Bestimmte ungünstige Faktoren, wie das späte Trinken von Tee oder Stress, sind mir bekannt, und die kann ich entweder selbst beeinflussen oder muss sie hinnehmen, wie sie sind.

Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Vorgestern nacht 04:45 Uhr. Ich hellwach. Wenn ich um die Zeit raus muss, ist der Schlaf nicht mehr so tief, der Körper schon erholt, und wenn sich dann nur ein Gedanke zuviel in mein verschlafenes Gehirn einschleicht, ist es vorbei mit dem Schlafen.

Und dann läuft die Maschinerie unaufhaltsam an. Manchmal sind es angstvolle Gedanken, die sich in der Ruhe der Nacht Bahn brechen, mal geht mir durch den Kopf, was ich alles noch erledigen muss, mal melden sich meine kreativen Gehirnzellen und entwerfen schon die nächste Beiträge für meinen Blog.

Am besten wäre es, wenn ich gleich aufstehen und aufschreiben würde, was an Ideen alles aufkommt, aber dazu habe ich dann verständlicherweise auch keine Lust.

Ich hätte in der besagten Nacht schon eine Vorschau auf die nächsten 4/5 Beiträge machen können. Ihr könnt euch also vorstellen, was in meinem Kopf abgeht. Davon habe ich inzwischen aber vieles einfach wieder vergessen und muss nun auf die nächsten Eingebungen warten.

Also besser ohne Granufink, denn sonst sprudelt die nächtliche Quelle vielleicht nicht mehr.

 

Und, wie lange musst du noch?

Nachdem die  Frage nach dem allgemeinen Befinden abgehandelt ist, folgt im fortgeschrittenen Alter, und erst recht, wenn man oder frau die 60 überschritten hat, unweigerlich diese Frage: Und, wie lange musst du noch? Ja, was denn? Was muss ich denn? Was wohl? Arbeiten natürlich.

Vor einigen Jahren war ich noch fast beleidigt, wenn mir diese oder in diese Richtung weisende Fragen gestellt wurden, dachte ich, man müsse doch sehen, dass ich noch nicht so weit bin. Gut, mit dem Schätzen des Alters anderer Menschen habe ich auch so meine Schwierigkeiten.

Aber jetzt muss ich es wohl so hinnehmen, dass mir diese Frage mit allem Ernst gestellt wird und  der Gedanke an die Rente ist tatsächlich näher gerückt. Während ich in den letzten Monaten aufgrund meiner OPs zu Hause bleiben musste, erschien es mir plötzlich nicht mehr so unvorstellbar, irgendwann ganz zu Hause zu bleiben.

Das älter werden ist nicht mehr wegzudenken und wegzuschieben. So wie jeder Mensch sich intensiv mit der jeweiligen Lebensphase beschäftigt, in der er oder sie sich gerade befindet, so nimmt die Auseinandersetzung mit dem Altern bei mir einen zunehmenden Raum ein. So wie sich Kinder mit der nächsten Klassenarbeit, Studenten mit bevorstehenden Klausuren, Eltern sich mit ihrem Nachwuchs beschäftigen und in dem Moment nichts anderes zählt, so steht das Thema älter werden immer wieder auf der Tagesordnung, gezwungenermaßen oder auch ganz freiwillig.

Manchmal allerdings kann ich mich selbst nicht mehr hören, wenn ich über das altern spreche oder schreibe, aber ja, ich gehöre jetzt auch offiziell rein nach Jahren gerechnet zu den Seniorinnen.

An allen  Ecken und Kanten merke ich, dass es nicht mehr so rund läuft wie noch vor einigen Jahren, weder im Kopf noch in den Beinen. Kein Wunder, dass ich mich damit beschäftige. Es bleibt mir auch gar nichts anderes übrig. Denn ich werde ja ständig daran erinnert.

Aber nein: Ich will mich davon nicht beherrschen lassen und irgendwo in meinem Inneren fühle ich nicht „alt“, nein, dort bin ich ganz jung. Wenn man an eine Seele glaubt, dann sagt man von ihr, dass sie nicht altert, dass sie die physische Existenz überdauert und dass es ihr völlig egal ist, dass Körper und Geist eine andere Sprache sprechen.

Gewiss ist es nicht einfach, diese beiden Seiten meiner Existenz zusammen zu bringen und sie gleichermaßen wertzuschätzen und ihnen Gehör zu verschaffen.

Meine physische Existenz verlangt, dass ich mich an die sich verändernden Bedingungen ständig neu anpasse, dass ich mich mit ihnen arrangiere, ihnen möglicherweise durch meine Lebensweise zu trotzen versuche. Ich muss akzeptieren, dass meine Abläufe langsamer geworden sind. Vielleicht bin ich dadurch aber auch gelassener geworden. Ich muss nicht mehr mit dem Tempo der jungen Leute mithalten, ich muss nicht mehr so viel kämpfen wie in früheren Jahren. Vieles muss ich nicht mehr, anderes möchte ich noch, kann es aber nicht mehr. Die Angst, was in einigen Jahren sein wird, wenn die Kräfte weiter nachlassen, reist immer mit, wohin ich mich auch fliehen mag.

Meine Seele hingegen schwingt noch immer in altersloser Schönheit und jugendlichem Leichtsinn durch das Universum. Sie beschert mir manchmal Gefühle wie einer 18jährigen, wie schön und wie aufregend. Sie wartet darauf, dass ich ihr Nahrung gebe, dass ich mich am Leben freue,  lache, tanze, schöne Dinge tue.

Ich erinnere mich gerne an meine Mutter, wenn sie mir von ihren Männerbekanntschaften aus jungen Jahren berichtete und wie ihre Augen dann zu glänzen begannen, wie aufgeregt sie mir erzählt hat, dass sich ein Herr aus dem Altersheim wohl für sie interessiert. Es gibt Dinge, die hören nie auf, die Liebe, die Sehnsucht danach, die ungestümen Gefühle.

Meine Seele ist hungrig nach Leben. Trauer, Zorn und negative Gefühle sind ihr Ding nicht. Trauer ist unvermeidlich, hat ihren Platz und ihre Notwendigkeit. Trauer um verlorene Fähigkeiten aber vor allem Trauer über den Verlust lieber Menschen. Zorn und negative Gefühle „beschmutzen“ die Seele und versperren den Blick auf die lebenswerten Seiten des Lebens.

Und dennoch wird das Leben enger, daran geht kein Weg vorbei. Es ist wie ein Trichter, am Anfang noch weit geöffnet für scheinbar unendliche Möglichkeiten  und nun immer schmaler werdend. Er zwingt mich oder gibt mir positiv gewendet die Möglichkeit, das Wesentliche vom Unwesentliche zu unterscheiden, das Leben  zu kondensieren und auf das zu konzentrieren, was mir wichtig ist und mir Kraft und Freude schenkt:

Menschen, die mir zuhören, und denen ich für die Zeit unseres Gesprächs meine ganze Aufmerksamkeit schenke. Menschen, die mich eigentlich nur als Projektionsfläche für ihre eigenen Gedanken brauchen, und denen es im Grunde egal ist, wer ihnen da gegenüber sitzt, tun mir nicht gut. Vielleicht steckt dahinter aber auch eine tiefsitzende Angst, sich mit den wirklich wesentlichen Themen ihrer eigenen Existenz auseinanderzusetzen. Kein Urteil. Das kommt mir nicht zu. Für mich aber „verlorene“ Zeit.

Bücher, die mich bereichern, die mich in sie hineinziehen wie in einen Sog und mich erst wieder freigeben, wenn das Buch ausgelesen ist. Da ist wie Spielen in der Kindheit. Ich vergesse Zeit und Raum, bin ganz in der Phantasiewelt des Buches, lebe und leide mit den Figuren und nehme auch noch etwas davon mit in meine Realität. Das ist es, was mich erfüllt: diese Momente, in denen ich ganz zugegen bin, in denen mich eine Sache mitreißt. Ich weiß nicht, woher ich das habe, wahrscheinlich aus irgendeinem philosophischen Ansatz, dass die Kunst des Lebens darin besteht, alles was man tut, mit ganzer Hingabe zu tun, dabei ist es ganz egal, was. Ehrlich gesagt: so ganz will mir es mir nicht gelingen, meine Wäsche mit der gewünschten Versenkung zu bügeln.

Aber wenn ich z.B. einen Artikel wie diesen schreibe, dann passiert mir genau das. Ich vergesse alles um mich herum, ich schaue auch nicht auf die Uhr…nur zu spät abends darf es nicht werden, denn dann nehme ich die Gedanken mit ins Bett uns spinne sie dort weiter. Das ist definitiv nicht gut!

So heißt es für mich immer wieder, die innere Balance zu halten zwischen dem, was schwer ist, was erlebt und gelebt werden muss und was schön ist, was mir Freude macht und mich erfüllt.

Und wenn mich mal wieder jemand fragt, wie lange ich noch muss, dann sage ich: ich muss gar nicht, ich möchte noch arbeiten. So lange es mir noch Freude macht, so lange ich es noch kann…..

Und dann sieht man weiter. Jeden Tag neu erfahren, sich erfahren, das Leben umher aufnehmen und seinen Weg finden.

 

Anonyme Stuhlprobe

Darüber spricht man nicht, schon gar nicht in der Öffentlichkeit! Ja, stimmt schon, aber zur Erheiterung der LeserInnen ist das sicher erlaubt, oder?

Also, mein Sohn und ich, wir sind aus einem Stall, wie man so schön sagt, und er kann nichts dafür, könnte er mir vorhalten.

Das als Vorrede zu diesem Beitrag.

Mein Sohn sollte aus gegebenem Anlass eine Stuhlprobe abgeben (ich meine jetzt nicht eine Sitzprobe auf seinem neuen Bürostuhl, der sich nicht , wie in der Beschreibung vollmundig behauptet, beim leichten Nachhintenlehnen dem Körper anpasst und nachgibt, sondern den Sitzer zu einer aufrechten bis steilen Haltung zwingt. Nein, darum geht es gerade nicht, auch wenn dies ein weiterer Anlass für einen Beitrag wäre.

Nein, er sollte eine Stuhlprobe im Rahmen einer Magen-Darm-Diagnostik abgeben bzw. an ein Labor irgendwo in Süddeutschland schicken. Ein paar Tage später trafen wir uns zum Kaffeetrinken. Er stellte fest, dass er vergessen hatte, die Stuhlprobe in den Brifkasten zu werfen. Ich erklärte mich bereit, das für ihn zu erledigen, da ich sowieso noch am Briefkasten vorbei kommen würde. Auftragsgemäß warf ich das Päckchen ein und vergewisserte mich, dass der Briefkasten noch am selben Tag geleert werden würde.

Am gleichen Tag versuchte ich, ein wenig Ordnung in die Papiere auf Schreib- und Esstisch (der von allen Familienmitgliedern auch gerne mal zur Zwischenlagerung benutzt wird) zu bringen. Ich stellte fest, dass dort noch Unterlagen zu der Stuhlprobe lagen. Einen kurzen Moment lang überlegte ich, ob ich einmal draufschauen sollte, um was es sich handelt, ob das Kunst ist, oder weg kann, entschied mich aber schnell für die Endlagerung in meiner Altpapierablage.

Am nächsten Tag fragte mich mein Sohn aufgeregt, wo die Unterlagen seien. Ich informierte ihn über deren Aufenthalt, wonach er erleichtert aufatmete und sie in  Sicherheit brachte. Es war sein Glück, dass an diesem Wochenende kein Altpapier abgeholt wurde, denn in diesem Fall wären die Papiere unwiderbringlich einfach weg gewesen.

Warum die ganze Aufregung? Meinem Sohn war in Nachhinein eingefallen, dass einige der Unterlagen der Stuhlprobe hätten beigelegt werden müssen! So war selbige also anonym an das Labor geschickt worden. …

Ein Telefongespräch klärte das Problem: Er sollte die Unterlagen dem Shit noch hinterherschicken!

So kann es kommen. Und jetzt erhellt sich wahrscheinlich auch meine anfängliche Bemerkung, dass wir aus einem Stall sind!? Ja genau, das hätte mir auch passieren können.

Diesen Satz sage ich mir immer dann, wenn ihm etwas passiert, das mir eben auch hätte passieren können oder schon passiert ist. Das führt dazu, dass ich in den meisten Fällen überhaupt nicht böse werden und den Kopf mit Unverständnis schütteln kann.

Shit happens but,  don’t worry, be happy!

Indoor Agility

Heute ein ganz neues Thema, oder nein, oder doch…Seit einer Woche bin ich nun mit dem „Unterschenkelwalker“ (s. oben) ausgestattet und kann mich aufrecht durch die Wohnung bewegen. Humpelnd immer noch, da es eines Höhenausgleichs zwischen dem rechten, beschuhten und dem linken, unbeschuhten Fußes bedürfte, was wiederum eine größere aushäusige Aktion erforderlich machen würde, nach der mir immer noch nicht der Sinn steht.

Habe ich schon berichtet – nein habe ich glaube ich nicht – dass zeitgleich mit meiner Rekonvaleszenz bei uns zu Hause eine größere Renovierungsaktion stattfindet? Hat sich irgendwie so ergeben, und auch wenn mir zwischendurch immer wieder Zweifel kommen, ob es richtig war, beide Ereignisse zusammen zu legen, so nützt jetzt ja alles Jammern und Heulen nichts. Ich, mein Sohn und ich, stecken mitten drin und müssen da durch.

Heißt: Vergangene Woche Dienstag rückte der Tischler (T) an, um sämtliche Türen erstmal herauszureißen…………………………………………………………………………………………..

Von der Lärm- und Staubbelastung will ich hier gar nicht reden. Nachdem er erfolgreich alle alten Türen ausgebaut und die neuen Rahmen eingesetzt hatte, füllte er die Zwischenräume mit Kaltschaum (ist das die richtige Bezeichnung?) auf, die die Rahmen an das Mauerwerk binden sollen. Damit das alles richtig zusammen hält und die Rahmen keine Beulen schlagen durch den sich ausdehnenden Schaum, baute  T. zwischen jede Tür (5 an der Zahl) je zwei Spreizen (nicht Zwingen, wie anfänglich geschrieben, denn es soll ja nichts zusammen gehalten, sondern gespreizt werden, so viel Zeit muss sein) ein.

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Die Szene wurde ein paar Tage später nachgestellt am Beispiel der Tür vom Wohnzimmer zum Flur.

Die Spreizen mussten bis zum nächsten Morgen an dieser Stelle bleiben, bis der Schaum ausgehärtet war.

Nun dachte ich, dass ich auch diese Hürde mit links (ist ja auch mein heiles Bein) würde nehmen können, war ich doch im Überwinden von Hindernissen inzwischen einigermaßen geschult und erfinderisch. T. warnte uns, dass das kein Kinderspiel sei. Ich grinste innerlich. Bis, ja, bis es zum Praxistest kam: Ich musste vom Wohnzimmer ins Bad und hatte somit zwei Hindernisse zu überwinden. Das 1. – oben im Bild zu sehen – ging noch relativ einfach. Ich musste mich lediglich entscheiden, mit welchem Fuß in- oder exklusive Unterschenkelwalker ich die Stange zuerst überwinden wollte (ein Überspringen kam für mich nicht in Frage, aber auch mein Sohn musste mangels ausreichendem Anlauf von dieser Alternative Abstand nehmen). Also schlängelte ich mich zwischen beiden Stangen hindurch. Das Badezimmer hingegen war nicht so leicht zu erreichen, denn die Tür ist im Vergleich zum Wohnzimmer noch eine Ecke schmaler. Mein Sohn, sehr schlank von Natur, tat sich schwer. Ich schob es darauf, dass er größer ist als ich und ihm die gymnastischen Verrenkungen von daher schwerer fielen als mir. Im ersten Anlauf versuchte ich dann die Variante „unten durch kriechen“. Erinnerte mich irgendwie an die Grundausbildung beim Bund, die ich natürlich nicht persönlich miterleben durfte. Jetzt bekam ich eine konkrete Vorstellung davon. Am Ziel angekommen, verwarf ich aber auch diese Lösung bei der Vorstellung, denselben Weg noch mehrmals in der Nacht und schlaftrunken gehen bzw. kriechen zu müssen.

Dann blieb nur noch, meine Ehre zu retten und mich elegant zwischen beiden Stangen  hindurchzuwinden…..Elegant war jetzt was anderes, aber immerhin, ich gelangte ans heiß ersehnte Ziel meines Bedürfnisses, nicht ohne Panik, auf halben Wege stecken zu bleiben und vom meinem Sohn  wieder herausgezogen werden zu müssen.

Indoor Agilitiy Training für Gehbehinderte!

Splitläsion der Peronaeus brevis Sehne – oder Bericht von der Krankenstation

So, liebe Leserinnen und Leser, da bin ich wieder…..und wie ihr lesen könnt, hatte mein Schweigen u.a. damit zu tun, dass meine Peronaeus brevis Sehne rechts wohl gemeint hatte, sich spalten zu müssen und ein chirurgisches Eingreifen erforderlich machte. Dieser Bericht ist also speziell, aber nicht ausschließlich, für Leidensgenossinnen und -genossen. Die o.g. Sehne zieht hinter dem Knöchel entlang und unterstützt u.a. beim Stehen auf den Zehenspitzen. Wenn sie ihren Dienst teilweise oder ganz einstellt, führt dies zu schmerzhaften Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Das zum Hintergrund.

Vor einer Woche unterzog ich mich also nach jahrenlangem Hin- und Her und wechselnden Diagnosen dem besagten Eingriff. Ich hatte noch Glück, dass die Sehne genäht werden konnte. Die vermuteten „freien Gelenkkörper“ wurden nicht aufgefunden und auch an den Bändenr und Sehnen auf der linken Gelenkseite mussten keine Reparaturarbeiten vorgenommen werden.

Donnerstag vor einer Woche musste ich mich zunächst in die P-Klinik zu den Aufnahmeformalitäten und -untersuchungen begeben. U.a. nahm mir Dr. M. Blut ab (ich begrüßte ihn ganz fröhlich, da wir schon vor wenigen Wochen das Vergnügen gehabt hatten anläßlich eines Tages der offenen Tür der besagten Klinik und er mir schon damals Blut abgenommen und meinen Blutdruck gemessen hatte. Damals machte ich auch gleich noch einen Test, um zu prüfen, ob ich noch alle Latten am Zaun habe und im Obergeschoss noch alle Lampen brennen, den ich mit Bravour bestand (wäre ich durchgefallen, wäre ich zweifelsohne für die Einweisung in die Psychiatrie reif gewesen angesichts der Aufgaben). Diesen Test konnten wir uns heute also ersparen. Ich taperte von Station zu Station, bis alle Daten aufgenommen und Voruntersuchungen absolviert waren und nach drei Stunden durfte ich wieder nach Hause…

Am folgenden Tag hatte ich mich um 7:00 Uhr morgens (ganz, ganz schlechte Zeit für mich und meinen Körper) wieder einzufinden. Am Tag zuvor hatte ich schon in Erfahrung gebracht, dass ich die letzte in der Reihe der zu Operierenden sein würde und ich bis mittags würde (nüchtern) warten müssen. War jetzt nicht so schlimm, denn ich konnte schon mein Zimmer/Bett beziehen zusammen  mit P. (alle auftretenden Namen wurden von der Redaktion geändert) , die ebenfalls operiert werden sollte. Circa 1 Stunde vor dem Eingriff bekam ich dann auch noch eine „Scheiß-egal“ – auf hochdeutsch Beruhigungstablette. so dass ich schon in tiefem Schlaf lag, als ich abgeholt wurde. Halbwegs wieder wach, wurde mir jeder einzelne Schritt vom Zimmer bis in den Operationssaal mündlich mitgeteilt. Herr Dr. T. setzte mir dann noch eine Maske aufs Gesicht und – schwupp – war ich weg. 3 1/2 Stunden später wachte ich langsam wieder auf und Dr. B. erklärte mir, was er gemacht hätte, meinte aber, dass ich das wohl nicht behalten würde. Ich konterte glasklar, dass ich alles abgespeichert hätte. Dann meinte ich noch, dass ich ihn mit Brille in Erinnerung hätte, was er jedoch kategorisch zurückwies.

Unter der Betäubung verlief die erste Nacht schmerz- und auch sonst komplikationslos…

Sei freundlich mit dir

Wenn du nicht mehr klar siehst

Kauf dir eine Brille und fahr nachts kein Auto

Wenn dein Ohr vor dem Lärm dicht macht

Such dir ein ruhiges Plätzchen in der Natur

Wenn du nachts nicht schlafen kannst

Trink ein Schlaf- und Nerventee oder frage deinen netten Hausarzt  oder Apotheker

Wenn die Arbeit nicht mehr so leicht von der Hand geht

Nimm dir nicht so viel vor und gönn dir zwischendurch eine Pause

Wenn der Rücken schmerzt

Such dir einen attraktiven Physiotherapeuten

Wenn du dich allein fühlst,

geh‘  auf andere zu

es gibt noch mehr von deiner Sorte

Wenn du mit dir und dem älter werden haderst

Wenn du dich störst an deinen Unzulänglichkeiten

Wenn du dich ärgerst über dich selbst

Lass es einfach sein

Es nützt nichts

Es hilft nichts

Es macht noch mehr graue Haare

Sei freundlich mit dir und allem, was zu dir gehört…..

2016-05-13-18-39-19

Morgens, mittags, abends

Morgens, mittags, abends

Aufsteh‘n, Schule, Freizeit, schlafen

Morgens, mittags, abends

Aufsteh‘n, Studium, Freizeit, schlafen

Morgens, mittags, abends

Aufsteh‘n, Arbeit, Kinder, Mann und schlafen

Morgens, mittags, abends

Trennung, Tränen, Einsamkeit

Morgens, mittags, abends

Zaudern, Zagen, Neubeginn

Morgens, mittags, abends

Abschied, Sterben, Trauer

Morgens, mittags, abends

Fragen, Fragen, Fragen

An das Leben, was es war und was es ist

An mich selbst,

was soll werden

was du noch nicht gewesen bist

Morgens, mittags, abends

War es, was es war

Nichts ist zu ändern, nichts kommt zurück

Plötzlich war es nur noch, wird nicht mehr

Zeit ist knapp,

um Sinn zu finden in der Endlichkeit

hätte, wäre , könnte, sollte

Konjunktive haben keine Zukunft

hier, und jetzt, am Besten gleich

tun, was noch getan werden kann

sagen, was schon längst gedacht

bevor sie kommt, die Nacht

 

 

Nachtgedanken

In welche Form kann ich sie gießen

die kleinen Niederlagen des Alltags, die Trauer, das leise Entsetzen

der müden Knochen, die am Morgen die Zeit noch genießen,

sich zu  recken, zu strecken und keine Lust verspüren, sich in Bewegung zu setzen

Wie kann ich sagen, worüber niemand gerne spricht

die Puzzleteile im Kopf, wo eins nur mühsam den Weg zum anderen findet

die Ohren müde vom lärmenden Leben, das nachlassende Gesicht

all das, was manchmal erdrückend den Mut nimmt und Kräfte bindet

Und der Trotz, der sich regt, sich nicht zu beugen

der unbändige Wunsch, noch vieles zu erleben

was damals nicht ging oder ich bereit war zu verleugnen

die Kraft, die mich ausbremst, nicht mehr ausreicht, mich zu bewegen

das zu tun, was ich immer schon erträumte und mich nicht traute

zu wollen

und doch und doch und jetzt erst recht

was nützt es, dem Leben, dem Schicksal, dem Gott weiß was zu grollen

kein Mensch muss müssen, ich kann, ich will, ich bin nicht gerecht

mit mir selbst gehe ich zu hart in Gericht

was hat schon Gewicht?

Die Sonne am Morgen, der Bach, der übermütig in sein Bett sich ergießt

der Mond, der freundlich mir die Nacht erhellt

das Blut, das pochend durch meine Adern fließt

das Herz, das aufgeregt beim Universum ein verwandtes Du bestellt…

 

 

Alles ist anders….

Der erste und stärkste Antrieb für meinen Blog waren die Ereignisse und Entwicklungen der letzten und vor allem des letzten Jahres, die mich bewegt haben und die geteilt werden wollen. Nunja, die Reichweite dessen, was ich schreibe, ist begrenzt und meine Schwester kommentierte es kürzlich so: das, was ich schreibe, wurde auch schon millionenfach woanders geschrieben. Stimmt! Dennoch sind es auch meine ureigensten Gedanken und Erlebnisse, und wenn andere es genauso erleben, dann gibt es zumindest den Aha-Effekt und wir stellen fest, dass wir alle mehr oder weniger mit den gleichen Fragen beschäftigt sind oder sie uns beschäftigen.Und dann hat noch jeder die Möglichkeit, so oder so mit dem Leben und den Herausforderungen umzugehen.

Das nahende oder schon bei mir angekommene #Alter ist ein wichtiges Element meines aktuellen Lebens, zwingt es mich doch fast täglich zur Auseinandersetzung und Stellungnahme.

Der Tod meiner Mutter hat sich kürzlich zum ersten Mal gejährt. Ein Jahr ist vergangen und ich musste alle Momente und Feiertage, die ich bis dato mit meiner Mutter und Familie verbracht hatte, mehr oder weniger allein durchleben. Am schlimmsten war das Weihnachtsfest, das traditionell bei meinen Eltern und später bei meiner Mutter stattgefunden hatte. Im letzten Jahr, als sie schon im Altersheim war, haben wir es trotzdem noch alle gemeinsam bei meiner Schwester verbracht.

Das Weihnachstfest in Familie war sicher nicht das reinste Vergnügen. Man/frau kennt das ja: die Familie trifft sich und damit stoßen auch die verschiedenen Charaktere und Bedürfnisse aufeinander. Nicht zu vergessen die Verletzungen innerhalb der Familie, zwischen Eltern und Kindern, Schwiegerkindern usw. Trotzdem war mir dieses Weihnachstfest fast schon heilig.

Und damit ist es jetzt vorbei. Ich hatte regelrecht Panik in diesem Jahr vor dem 24. Dezember….Was würde ich allein bzw. mit meinem Sohn tun? Da haben wir uns kurzerhand entschlossen, das Weite zu suchen und haben zwei Tage in Amsterdam verbracht. Die Jahreszeit und das Wetter waren wohl weniger geeignet, aber insgesamt haben wir es nicht bereut und ich bin nicht so viel zum Nachdenken gekommen. Manchmal ist auch das die richtige Therapie.

Kurz bevor meine Mutter starb, haben wir noch ihren 90. Geburtstag gefeiert und alle Menschen, die sie gerne dabei haben wollte, eingeladen. Erst hat sie sich ja geziert und gemeint, sie wolle keine „Aufstand“, aber meiner Schwester und mir war klar, dass es ihr doch gut tun würde, gefeiert zu werden.

Am Vormittag gratulierten ihr die Mitarbeiter vom Altersheim, später kamen noch ein Nachbar und schließlich noch ein Pastor. Ich sage „ein“ Pastor, da wir ihn alle nicht kannten, denn meine Mutter gehörte nun auf Grund ihres Umzuges in eine andere Gemeinde. Naja, und sympathisch war er uns allen auch nicht gerade. Er hat gar nicht den Kontakt zu meiner Mutter gesucht oder versucht, mir ihr ins Gespräch zu kommen. Vielmehr hat er sich über seine Arbeitsbedingungen beschwert! Und dann hat er – freilich nicht absichtlich – noch für Aufregung gesorgt, da meine Mutter wegen seines Besuchs nicht am gemeinsamen Mittagessen teilnehmen konnte, und sich die anderen Mitbewohner beschwerten, dass sie nicht mit ihnen angestoßen hatte. Der pure Stress für meine Mutter. Und obwohl wir den Pastor auf die Mittagszeit hinwiesen, fühlte er sich nicht bemüßigt, zu gehen.

Leider ist nur ein Nachbar gekommen. Auch dies eine Erfahrung: Wahrscheinlich scheuen doch die meisten Menschen den Gang ins Altersheim, und sei es auch nur zum Besuch. Dabei ist es so wichtig, dass der Kontakt zur Außenwelt gehalten wird. Offensichtlich sind die Berührungsängste aber doch sehr stark. Ich kann das nachvollziehen, aber man/frau sollte über seinen/ihren Schatten springen, denn für die Heimbewohner sind diese Begegnungen so wichtig!

Auch allen Kindern lege ich es ans Herz, ihre Angehörigen so oft wie möglich zu besuchen. Ja, es ist schwierig, zumal man/frau ständig dem Vorwurf ausgesetzt ist, dass man/frau dafür verantwortlich ist, dass die Mutter/der Vater dort sein muss, und dass es doch nicht notwendig sei. Das eigene schlechte Gewissen läuft immer mit, aber die Mutter/der Vater freut sich trotzdem und braucht das Gefühl, jetzt nicht auch noch allein gelassen zu werden. Außerdem läuft auch im Altersheim nicht immer alles rund – auf Grund der hohen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter*innen auch gar nicht möglich – und da brauchen  unsere Angehörigen auch eine Lobby.

Meine Mutter hat Glück gehabt mit ihrem Altersheim und der Abteilung, in der sie wohnte. Ja, so etwas gibt es auch! Sie hat selbst immer wieder betont, wie nett alle zu ihr wären. Ihre „Heimat“, ihr Haus und ihren Garten konnten wir ihr leider nicht ersetzen.

Meine Schwester und ich haben uns die Betreuung geteilt, besser gesagt, meine Schwester hat die Hauptlast getragen, da sie vor Ort war, und ich bin jedes Wochenende angereist. Unser Leben, vor allem das meiner Schwester, hat sich  in diesem einen Jahr auf unsere Mutter konzentriert, aber im Nachhinein war es gut so. Ich habe mir jedes Mal, wenn ich sie besuchte, gesagt, dass ich später dankbar sein würde für jeden Moment, den ich mit ihr verbringen durfte! Ja, und so ist es.

Meine Mutter durfte dann nach einem Sturz schnell diese Welt verlassen. Wir sind dankbar, auch wenn sich das vielleicht komisch anhört, dass sie nicht länger leiden musste, denn alles, was nach dem Sturz noch gekommen wäre, hätte meine Mutter vermutlich nicht mehr verkraftet, da sie nicht mehr mobil gewesen wäre und vermutlich auch nicht mehr jeden Tag mit ihrem Rollator durch den angrenzenden Park hätte laufen können. Und das war ihr größtes Glück.

Um der Frage zuvor zu kommen, warum unsere Mutter überhaupt ins Altersheim musste: sie war zusehends verwirrt und konnte nicht mehr allein zu Hause bleiben. Leider konnten wir ihr es nicht ersparen, noch ein kurze Zeit in einer psychiatrischen Klinik zu verbringen, aber ihre die Einstellung auf entsprechende Medikamente hat ihr sehr geholfen und ihre Lebensqualität im letzten Jahr noch einmal erheblich verbessert.

Über die Erfahrungen in der Psychiatrie könnte ich  mehr als einen Artikel schreiben, aber das werde ich mir verkneifen….Es ist sehr, sehr hart mit anzusehen, aber auch hier möchte ich eine Lanze für die Pflegekräfte brechen, die ihr Bestes geben (die meisten jedenfalls), um den Patienten das Leben einigermaßen erträglich zu machen. Aber die Finanznot oder vielleicht auch eher die Tatsache, dass die Klinik in diesem Fall einen privaten Träger hatte und dementsprechend auch auf Gewinn ausgelegt ist, macht die Situation nicht leichter.

Aber auch diese sehr schmerzhafte Erfahrung macht mich demütiger gegenüber dem Leben und dankbarer für alles, was ich habe.

Es ist nicht alles nur schwarz und weiß. Wir sollten uns vor pauschalen Urteilen über Altersheime, psychiatrische Kliniken etc. hüten und immer versuchen, einen „neutralen“ Blick auf alles zu werfen bzw. die Verhältnisse von verschiedenen Seiten zu beleuchten.

Alles ist anders….nun bin ich ins Erzählen geraten über die letzten Monate mit meiner Mutter, als sie noch lebte. Jetzt ist alles anders. Ich muss mich neu sortieren. Auch nach einem Jahr ist das noch nicht ganz einfach. Sie fehlt mir eben, meine Mutter! Wie wir uns immer so herzlich in die Arme genommen haben, wenn ich sonntags ankam und ich sie  mit „meine Kleine“ oder „Schrumpfgermane“ begrüßte, weil sie so klein geworden war . Ja, wir lachten beide darüber. Das Lachen ist wichtig, so wichtig!!!

Ich möchte meiner Mutter immer noch die Ehre erweisen, sie würdigen für all die Liebe, die ich erfahren durfte. Was für ein Glück habe ich gehabt.

Kurze Zeit, nachdem sie verstorben war, habe ich deshalb eine kleine Anekdote an die Zeitung „die Zeit“ geschrieben für die Rubrik „Was mein Leben reicher macht“ (ich habe die Leküre der Zeit immer mit dieser Rubrik begonnen). Leider haben sie den Text nicht veröffentlicht. So will ich diese kleine Begebenheit wenigstens auf diesem Wege noch einmal erzählen, weil sie mich so berührt hat:

Ich erinnere mich an einen frühherbstlichen Samstag vor einigen Jahren, als ich meine Mutter, die schon hoch in den 80ern war, am Wochenende besuchte und ihr den Vorgarten „hübsch“ machte. Es war schon recht kühl und meine Mutter forderte mich immer wieder auf, nun endlich ins Haus zu kommen, weil es so kalt sei. Sie beschwerte sich jedes Mal, wenn ich bei ihr zu arbeiten anfing, da ich schließlich zu Besuch sei und mich erholen solle!

Als ich schließlich fertig war, hatte sie mir ein heißes Bad eingelassen und das Abendessen stand schon bereit.

Das war meine Mutter!

Alles ist anders…aber ich trage die Liebe meiner Mutter im Herzen und nehme mir vor, meinen Mitmenschen mit so viel Liebe wie möglich zu begegnen.

Der Blick auf die Eltern fällt sicher nicht immer so positiv aus und wahrscheinlich, nein ganz bestimmt, war unser Verhältnis nicht immer ungetrübt. Ich wünsche allen, die mit ihren #Eltern hadern, dass sie sich mit ihnen aussöhnen können, so lange es noch geht, mit dem Gedanken, dass sie das Beste getan haben, was sie tun konnten auf Grund ihrer eigenen Geschichte.

Ich freue mich über eure Gedanken zum Thema…..