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Alleinreisend auf Borkum

Hallo liebe Leser*innen,

ich mache es jetzt mal so, wie es derzeit „korrekt“ ist mit *. So kann ich niemanden vergessen (wie heißt eigentlich die weibliche Form von NIEMAND, oder eine gendersensitive Form, wie man heute so sagt? Da wird es schon wieder schwierig, aber das ist ja heute auch gar nicht das Thema. Sondern…

…ich war mal wieder auf Borkum, immer noch meine Lieblingsinsel. Wieder das gleiche Spiel wie letztes und vorletztes und vorvorletztes …Jahr. Ich kann mich nicht entscheiden, wo ich meinen Sommerurlaub verbringen will und lande wieder auf Borkum.

Dieses Mal wohne ich in der Pension Huus in’t Dörp in der Westerstraße. Ich nenne hier den Namen, weil es mir gut gefallen hat. Zentrale Lage, nette Leute, guter Service.

Alle, die Borkum kennen, werden jetzt im Geiste mit mir auf den verschiedenen Wegen wandeln. Alle anderen kann ich vielleicht neugierig auf die Insel machen.

Alleinreisend. Mindestens einmal vor der Abreise beschleicht mich immer eine gewisse Unruhe, die sich bisweilen zu leichten Angstzuständen auswächst. Angst, dass ich mich einsam fühlen könnte und wie ich damit umgehen soll. Allerdings verflüchtigen sich diese Ängste wieder, denn inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Menschen im Urlaub einfach kommunikativer sind und dass es z.B. auf Borkum auch viele Alleinreisende oder Menschen gibt, die offen sind für ein Gespräch oder auch gemeinsame Unternehmungen. Es ist also an mir, den Kontakt zu suchen.

Gutes Wetter ist mindestens ebenso wichtig, denn bei schlechtem Wetter ist es auch schwieriger, anderen, gut gelaunten Menschen zu begegen. Diese Voraussetzung war in diesem Jahr zu 100 % erfüllt: 16 Tage Sonnenschein einschließlich der Rückreise. Erst als ich den Katamaran verließ, zog sich der Himmel zu und ergoß sich langersehnt auf die Erde. Sonnenschein ist schön, aber die andauernde Hitze kann ich nicht mehr denken ohne das Wort „Klimawandel“. Ich habe dennoch versucht, das schöne Wetter so ungetrübt wie möglich zu genießen. Versucht.

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Wie gesagt, war ich schon zigmal auf Borkum und kenne dort dementsprechend jeden Strauch und jeden Stein. Kennen ist zuviel gesagt. Jedes Jahr versuche ich, mir die Namen von typischen Pflanzen und ansässigen oder migrierenden Vögeln einzuprägen. Gut, die wichtigsten Möwenarten kenne ich jetzt: Silbermöwe, Sturmmöve, Lachmöwe…Wobei ich auf der Promenade neben zwei Frauen sitzend deren Dialog über die Schreibweise von Möwe oder Möve mitverfolgen beziehungsweise durch eigene Beiträge bereichern konnte. Es schreibt sich also Möwe, für alle, die jetzt auch gerade unsicher geworden sind. Nicht zu verwechseln mit Mövenpick, dem Eis, dem auch die Möwen nicht abgeneigt sind, mit dem sie aber in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen. Erläuternd ist zu erwähnen, dass sich der besagte Dialog abspielte, nachdem die beiden Frauen sich schon einige Gläschen des mitgebrachten Rotweins zu Gemüte geführt hatten und die Tochter einer der beiden trocken feststellte: Ihr seid ja betrunken!

Mein zweites Studienobjekt in diesem Jahr war die Kartoffelrose. Bis dato hatte ich als Laie*in in diesen Dingen diese überall wuchernde und von Übersee hereingetragende Pflanze für eine Heckenrose gehalten. Wie gesagt: falsch. Es handelt sich um die Kartoffelrose, auch Sylter Rose, Kamschatka Rose oder lateinisch „Rosa rugosa“ genannt. Sie treibt im Sommer die bekannten Hagebutten aus, deren Inneres mir aus der Kindheit als Juckpulver in Erinnerung geblieben ist.

Bei meinen naturkundlichen Rundfahrten beobachtete ich, dass sich Kühe am Tüskendör-See im Ostland mit zunehmender Hitze von Tag zu Tag immer weiter in den See hineinwagten, von den Knöcheln, über die Knie, bis zum Bauch. Man berichtete in der Lokalzeitung, dass ein Wasserbüffel aus dem Zoo in Münster auf dem Weg nach Borkum sei, um den Kühen das Schwimmen im peer to peer-Verfahren beizubringen, um so Abgänge zu verhindern.

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Erstmalig in diesem Jahr wurde ich von einer Ente im Café Ostland in Hand und Schuh gebissen. Sie machte dadurch ihrem Unmut Luft, dass ich sie nicht an meinen Speisen und Getränken teilhaben lassen wollte.

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Das war mir nun doch zu viel, nachdem ich im letzten Jahr schon einem Spatz einen Teil meines Pflaumenkuchens in einem unbeobachteten Moment überlassen musste. Des Weiteren beobachtete ich eine Möwe, wie sie fachgerecht einen Abfallkorb auf der oberen Promenade leerte und sich alles Essbare zu Gemüte führte.

So verbrachte ich also einen beträchtlichen Teil meiner Zeit mit meinen Radtouren um die Insel auf dem ca. 130 km langen Radwegenetz und Beobachtungen der Natur.

Manchmal stand ich kurz vor einem Sonnenstich und musste in den Schatten…Zum Schutz trug ich in diesem Jahr erstmals eine Kappe mit Schirm, auch Schirmmütze genannt, die vor allem meine Augen schützte. Eine gute Wahl.

Ab und zu, wenn es zu heiß wurde, schwamm ich meine Runden im Meerwasser-Schwimmbad. Ja, ich weiß, warum das denn. Denn das Meerwasser war ja angenehm warm. Stimmt. Aber ich hatte ehrlich gesagt keine Lust, immer meinen Hals beim Schwimmen in die Höhe zu recken und Ausschau zu halten nach diesen glitschigen und bisweilen Gift verspritzenden Wasserwesen, um ihnen gegebenenfalls blitzschnell ein Schnippchen zu schlagen.

Nun überkam mich manchmal doch eine gewisse Langeweile, weil ich die Radwege schon in- und auswendig kenne und die allenthalben um mich herumschwirrenden Vögel schon meinen Namen in die Luft zwitscherten. So überlegte ich mir einige Strategien, den Tag abwechslungsreicher zu gestalten:

Ich fuhr den Radrundweg mal von der einen und mal von der anderen Seite, probierte auch noch mal Ab- und Umwege, die mir einen Perspektivwechsel erlaubten.

Meine Mahlzeiten gestaltete ich unterschiedlich, abgesehen vom „reichhaltigen“ Buffet am Morgen. Mal aß ich in der einen oder anderen Strandbude (o.k., es ist mehr oder weniger Imbiss-mäßig, aber man wird satt zu einem angemessenen Preis), mal trank ich nur Kaffee in einem der beiden Ostlandcafés, mal aß ich zu Abend in „Ria’s Beach“ an der Strandpromenade oder verspeiste auf meinem Zimmer einen eingekauften Salat. Ich durchbrach auf diese Weise Gewohnheiten der letzten Jahre. Keine umwerfenden Änderungen, aber doch ein wenig Abwechslung.

Im letzten Jahr hatte ich an einer typisch ostfriesischen Teestunde und einer Wattwanderung teilgenommen. In diesem Jahr stand der Tag der offenen Tür der Borkumer Kleinbahn auf dem Programm sowie der Besuch des Seenotrettungskreutzers „Alfred Krupp“ im Schutzhafen von Borkum unter dem Motto „Ein Seebär kommt selten allein“.

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Beides sehenswerte Ereignisse, vor allem die Fahrt mit dem Triebwagen von 1940 der Borkumer Kleinbahn zum Hafen und zurück. Dort war es in erster Linie der Lokomotivführer, dem meine Aufmerksamkeit galt.

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Highlight in diesem Jahr war die Veranstaltung mit Klaus Peter Wolf, dem Autor der Ostfriesenkrimis. Ich kannte ihn bis dahin nur vom Hören-Sagen, da er auch regelmäßig in Osnabrück liest zugunsten von terre des hommes (ihr wisst ja, dass ich dort arbeite). Ein lustiger Bursche, der das Kind im Manne auslebt…mit viel Humor. Ich glaube nicht unbedingt, dass mich seine Bücher vom Hocker reißen würden, aber der Auszug über den Polizisten Rupert, der unversehens in einen Junggesellinnenabend gerät, war schon sehr lustig.

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Ihr seht, es gibt (immer noch) viel zu sehen und zu erleben auf Borkum.

Und, wie schon zu Beginn gesagt: Es gibt auch viele andere Alleinreisende, die sich darüber freuen, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen oder einfach mal ein Gespräch zu führen. Ich hatte in diesem Jahr das Glück, eine Frau fast gleichen Alters kennenzulernen und die letzten Tage mit ihr gemeinsam etwas zu unternehmen. Schon sehr witzig: wir lernten uns beim Softeisessen vor dem Nordseegrill kennen und stellten fest, dass das für uns beide ein Ritual bei jedem Borkum-Besuch ist. Und damit nicht genug: Wir trugen das gleiche Brillengestell von Fielmann. Da war das Eis schon fast gebrochen. Danke, Petra!

Bei allen Aktivitäten und Bedürfnis nach anderen Menschen brauchte ich aber auch immer Phasen der Ruhe und des Alleinseins mit mir und meinen Gedanken, am liebsten auf dem Rad und in der Natur.

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Wenn ich Borkum nun auch schon wie meine Westentasche kenne, so genieße ich doch jedes Jahr auf’s Neue die klare Luft und den unendlichen Horizont. Das ist das immer wieder Faszinierende dieser Insel.

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Und wenn ich dann so allein mit mir bin, kommen mir auch schon mal ganz neue Gedanken, die ich mit nach Hause nehme und vielleicht auch in die Tat umsetze.

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In diesem Sinne wünsche ich euch noch einen schönen Sommer, ob alleinreisend oder nicht, ob zu Hause oder unterwegs.

Eure Claudia

Reisetagebuch Borkum – Tag 8 – Alarm im Watt

14:00 Treffpunkt am Bahnhof zur Wattwanderung. Das Wetter ist gerade richtig, die Sonne scheint, aber es ist nicht zu heiß. Die potentiellen Wattwanderer und Wattwanderinnen warten an der Litfaßsäule auf ihren Wattwanderführer. Heinrich, so heißt er, macht ostfriesich knapp keine langen Worte und beordert uns sofort zum Busbahnhof, von wo aus wir in Richtung Hafen starten. Der Bus ist voll, die Stimmung gut….Nach ca 10 min kommen wir an. Heinrich rät, alles Gepäck, was nicht unbedingt nötig ist, im Bus zu lassen. Wer Gummistiefel wünscht, dem kann ebenfalls geholfen werden. Manche Leute haben ganz spezielle Schuhe mitgebracht, d.h. mehr so eine Art Strumpf-Schuh für zart besaitete Fußsohlen. Ich marschiere barfuß, wenn schon Watt, dann auch im direkten Kontakt. Ich kenne das schon, denn ich habe die Wattwanderung im Laufe der Jahre schon zweimal gemacht. Man vergisst vieles, jeder Wattwanderführer erzählt andere Geschichten und schließlich genieße ich einfach nur die Natur! Nicht zuletzt möchte ich euch LeserInnen ja auch die Insel und ihre Möglichkeiten näher bringen. Dazu gehört ganz bestimmt eine Wattwanderung.

Wir werden etwa 1 1/2 bis 2 Stunden unterwegs sein. Keine Angst. Wir laufen gemächlich und machen häufig Halt, damit Heinrich uns über das Watt erzählen kann.

Er führt uns zunächst in die verschiedenen Abschnitte des Watts ein.

  1. Salzwiesen
  2. Mischwatt
  3. Schlickwatt

Als Watt bezeichnet man im Allgemeinen …“Flächen in der Gezeitenzone der Küsten, die bei Niedrigwasser trockenfallen…“ (Wikipedia).

Die verschiedenen Stufen von Watt unterscheiden sich durch ihre Bodenbeschaffenheit und den Anteil an Sauerstoff, organischen Substanzen und Wasser. Die Salzwiesen werden nur sporadisch vom Wasser überspült, so dass sich hier eine besondere Vegetation, die sogenannten Halophyten (Salzpflanzen) ansiedeln konnten.

Gewöhnlicher Strandflieder (Limonium vulgare)

Dazu gehört u.a. der hier sichtbare gemeine Strandflieder.

Das Mischwatt enthält schon weniger Sauerstoff und nur noch eine dünne Schicht hellen, sauerstoffreichen Bodens, während das Schlickwatt überhaupt keinen Sauerstoff mehr enthält und schwarz ist. Im Schlick verenden die organischen Substanzen und setzen Schwefelwasserstoff frei, was zu der schwarzen Farbe und dem typischen, euch allen wahrscheinlich noch aus dem Chemieunterricht bekannten Geruch führt, den ich hier in der Natur allerdings gar nicht wahrnehme.

Wir sind gerade im Mischwatt angekommen und Heinrich erzählt uns von der Tierwelt unter unseren Füßen, während er hier und da mit seiner Mistgabel einen Brocken Erde aushebt und u.a. Wattwürmer und Herzmuscheln zu Tage fördert.

Da höre ich neben mir einen kleinen Jungen – ich bin schlecht im Schätzen – aber er wird so 3 1/2 bis 4 Jahre alt sein – zu seiner Mutter sagen „Mama, ich muss Aa“. Die Augen der Mutter weiten sich. Sie flüstert ihm etwas zu, aber kurze Zeit später wieder „Mama, ich kann es nicht mehr aufhalten“. Fragend sieht die Mutter ihren Mann an, der mit den Achseln zuckt.

Au weia, denke ich, und erinnere mich an den Urlaub, als wir dachten, unser Sohn sollte jetzt langsam „trocken“ werden und wir den Urlaub auf Borkum als passenden Moment ansahen, zur Tat zu schreiten. Wir suchten uns einen Strandkorb in der Nähe der Toiletten auf der Promenade aus und waren ständig unterwegs vom Strand zu den Toiletten und wieder zurück, wenn unser Sohn „Mama oder Papa, ich muss mal“ hervorstieß. Nun, schließlich hat es geklappt.

In diesem Fall hier ist der junge Mann schon etwas älter und eine Zwischenlagerung in der Windel kommt nicht mehr in Frage und würde das Problem auch nicht wirklich lösen. Ich sehe es im Kopf der Mutter rattern. Sie geht mir ihrem Sohn ein paar Schritte wattauswärts, verwirft dann im Kopf offensichtlich den Plan, denn die nächste Toilette ist etwas 2 km entfernt. Dann scheint sie ungeduldig darauf zu warten, dass Heinrich seinen Vortrag beendet, damit sie ihn um Rat fragen kann. Aber Heinrich weiß ja so viel zu berichten…

„Mama, ich muss Aa, dringend“, der Kleine ist wohl doch schon 4, wenn er sich so gewählt und eindeutig ausdrücken kann. Seine Eltern nehmen ihn in die Mitte und laufen mit ihm und der ganzen Truppe weiter. Ich höre den Sohn noch ein-, zweimal jammern, aber dann verliere ich sie aus den Augen. Erst am Ende der Wanderung fällt mir auf, dass alle drei noch da sind…Wie sich die Situation aufgelöst hat, kann ich nicht sagen. Vielleicht hatte der Sohn auch einfach keine Lust mehr , im Schlick herum zu waten und wusste genau, an welcher Stellschraube er drehen musste, um die Eltern zum Abbruch zu bewegen. Vielleicht konnten sie ihn mit irgendetwas bestechen. Ende gut, alles gut.

Vorher marschieren wir aber noch ins Schlick. Heinrich kennt sich aus und warnt noch einmal davor, allein in Watt zu gehen, es kann lebensgefährlich werden, wenn man in ein Schlickloch tritt und einsinkt. Das ist kein Witz! Für die Nordseeneulinge an dieser Stelle auch noch der Hinweis auf Ebbe und Flut. Das Wasser läuft jeweils 6 Stunden auf und 6 Stunden ab mit einer „Ruhezeit“ von 10 bis 15 min, bis die nächste Phase wieder beginnt.

Er führt uns an eine Stelle, an der man max. bis Kniehöhe einsinkt. Vor allem für die Kinder ist das ein großer Spaß, denn jetzt kommen alle mit schwarzen Stiefeln wieder raus. Spätestens hier erweisen sich die Gummistiefel als hinderlich, da sie im Schlick steckenbleiben.

Also, für mich ein Muss, eine Wattwanderung!

Zum Schluss noch der Hinweis, dass dieses Wattenmeer als das größte zusammenhängende Wattenmeer seiner Art 1996 zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmehr und 2009 sogar zum UNESCO Weltnaturerbe erklärt wurde! In einem Fernsehbericht wird anläßlich des 30jährigen Bestehens über die anfänglichen Widerstände der Bevölkerung und vor allem der Wirtschaft berichtet. Inzwischen hat sich das Wattenmeer aber zu einem wichtigen Anziehungspunkt für Touristen entwickelt und ist neben der lebenswichtigen Bedeutung als Nahrungsquelle und Brutgebiet für viele Vögel auch ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.

 

 

Reisetagebuch Borkum – Tag 7 – Insel-Impressionen

Am heutigen Montag keine besonderen Vorkommnisse. Das Wetter ist weiterhin wechselhaft stabil, mal Wolken, mal Sonne, mal ein kurzer Schauer. Ich radle durch die Landschaft und sinniere dabei über das Leben im Allgemeinen und Speziellen, während mir der Wind um die Nase weht. Die für heute vorgesehene Wattwanderung verschiebe ich auf Morgen. Dafür erfreue ich mich an den wechselnden Bildern, die sich mir auf meiner Fahrt präsentieren. Immer wieder die Gelegenheit, menschliches Verhalten zu beobachten.

So auf dem Deich…Der Pfad ist relativ schmal und dient Fußgängern und Radfahrern gleichermaßen als Weg. Da muss man sich zwangsläufig anpassen, ausweichen, absteigen, wie es die Situation gerade erfordert. Es ist immer ein kitzeliger Moment, wenn Radfahrer aus beiden Richtungen kommend aufeinander zufahren: Wer weicht zuerst aus auf die Grasnarbe, wer beharrt auf seiner Vorfahrt, die es hier nicht gibt, wer bleibt ruhig und gelassen, wer wird nervös und schimpft schon mal prophylaktisch? Und dann der erleichterte und dankbare Blick, wenn beide zum Nachgeben bereit ausweichen. Da grüßt man sich doch gleich mit einem freundlichen „Moin“. Die Schafe stört’s wenig. Sie halten in der Mittagssonne erstmal ein kleines Schläfchen, nachdem sie ihre Arbeit getan und das Gras kurz gehalten haben.

Reisetagebuch Tag 4

Nachtrag zu Tag 3

Eine direkt vor mir sitzende Frau nahm während der ersten Hälfte das gesamte Konzert der „Oldtimers“ mit ihrem Smartphone auf. Abgesehen davon, dass ich ständig das Leuchten ihres Bildschirms im Blickfeld hatte, hielt sie ihr Smartphone manchmal über Kopfhöhe, so dass ich die Bühne nur noch durch ihr Smartphone sehen konnte.

Vielleicht bin ich ja wirklich schon „vieux jeu“, wie der Franzose zu sagen pflegt, heißt altmodisch, aber abgesehen davon, dass mir das auf den Zwirn, auf die Nerven ging, dachte und denke ich, dass wir unsere Welt bald nur noch mittelbar durch das Medium Smartphone wahrnehmen und den Kontakt zur Realität verlieren. Ich nehme mich jetzt gar nicht von dieser Tendenz aus, alles irgendwie im Bild festhalten zu wollen, merke aber, dass ich dadurch das, was ich eigentlich sehen will, gar nicht mehr wirklich wahrnehmen kann, weil meine Aufmerksamkeit auf mein Smartphone und die richtige Aufnahme gerichtet ist. Wie bei den Japanern, über die wir uns immer gerne lustig machten, wenn sie photographierend durch unsere Städte liefen. Wir haben sie längst überholt in diesem Wahn. Wir können nichts festhalten. Ein paar Bilder sind schön als Erinnerung, aber woran erinnern wir uns nachher noch, wenn wir doch eigentlich gar nicht ganz dabei waren….

Ich habe die Dame in der Pause höflich gebeten, ihr Smartphone doch wenigstens nicht über Kopfhöhe zu halten. Sie sah mich mit großen erstaunten Augen an und sagte, dass sie immer die Konzerte aufnehmen würde…Auch ihr Mann konnte kaum glauben, was er hörte. Die beiden waren in der zweiten Hälfte verschwunden. Mir war es recht….

Nach meinem Bericht über das Konzert am Vorabend folgen keine weiteren Eintragungen für den Freitag. Ich habe wieder eine Radtour unternommen, davon zeugen die Bilder (aha), die ich am Freitag aufgenommen habe.

Vom Ostland kommend (der Wind weht immer noch von Osten) über den Seedeich gelange ich an den Bahnübergang an der Reedestraße, der mich in die „Greune Stee“ (Grüne Stelle), das größte zusammenhängende Inselwäldchen, führt. Auf einer Info-Tafel erfährt man, dass dieser Teil zum ältesten Dünengebiet der Insel gehört und circa 400 Jahre alt ist. Die Dünen werden als „braune Dünen“ bezeichnet, da sich auf dem ursprünglich weißen Sand eine Humusschicht abgelagert und den festen Bewuchs durch sogenannte Pionierpflanzen und -bäume ermöglicht hat. Dazu gehören u. a. Vogelbeerbäume, Birken, Eichen und Zitterpappeln. Weiter prägen Brombeersträuche, Heidekraut, Sanddorn und Heckenrosen das Bild. Hier ist der Radfahrer und Fußgänger auch bei Wind einigermaßen geschützt unterwegs. Es gibt auf dem Weg noch verschiedene Abzweigungen, die ihr dann eben auch noch selbst entdecken dürft. Ich fahre weiter, bis ich fast am Südstrand herauskomme. Ich biege heute nach links Richtung Südstrand ab. Dort muss ich vom Fahrrad absteigen und gehe auf einem Fußweg rechts weiter bis zur „Heimlichen Liebe“, einem Traditionscafé und -restaurant am Südstrand, leider ohne Außenterrasse, aber das ginge bei der „Spitzen“-lage wohl auch kaum wegen dem Wind.

Hier beginnt dann die neu gestaltete gepflasterte und großzügig angelegte Promenade mit verbessertem Hochwasserschutz. Wer will, kann das Meeresaquarium besuchen oder sich bei gutem Wetter in einen der geschützten Plätze auf der Sonnenterrasse setzen und das Meer beobachten…Weiter gehts (Radfahren ist hier erlaubt) bis zum Hauptstrand. Dort muss ich wieder absteigen. Am besten das Fahrrad oberhalb der Promenade abstellen. Aber gut den Abstellort merken, kann ich nur sagen!

Wer inzwischen  Hunger bekommen hat, findet an der Hauptpromenade jede Menge sogenannter Milchbuden direkt am Strand, in denen man drinnen oder draußen günstig esssen und trinken kann. Natürlich auch praktisch für alle, die lieber im Strandkorb liegen und sich unkompliziert mit Essen versorgen wollen. Die Buden schließen meist um 18:00 Uhr.

 

Borkum und zurück – ein persönliches Reisetagebuch

Borkum, was soll ich sagen, was diese Insel für mich bedeutet?

Sie ist ein Stück eigener Geschichte mit Erinnerungen an und aus den verschiedenen Phasen meines Lebens, sie ist meine Lieblingsinsel im Hochseeklima….warum, das werde ich versuchen, euch nahe zu bringen in meinem Reisetagebuch…..

Am 9. August 2016 starte ich. Es ist ein wechselhafter, kühler Tag. Für die Hinfahrt entscheide ich mich für die Fähre, die 2 – 2 1/2 -Stunden von Emden aus braucht und mir die Möglichkeit gibt, schon mal etwas zu entspannen auf dem Weg ans Ziel. Ich fahre mit der „Ostfriesland“, die umgebaut wurde in ein hochmodernes Schiff mit umweltfreundlichem Gasantrieb. Das Wetter erlaubt mir nur kurze Aufenthalte auf dem Oberdeck, wenn es gerade mal nicht regnet. Der Ausblick auf das weite Meer fasziniert mich wie immer (siehe oben).

Auf Borkum angekommen, werden die Reisenden mit der „Bimmelbahn“ zum Borkumer Bahnhof gebracht, von wo aus sie in alle Richtungen in ihre Quartiere streben. Ich habe dieses Mal meine schwere Reisetasche vorausgeschickt (oh, was für eine Erleichterung!) und miete so umgehend für 14 Tage ein Fahrrad  (50 €) und fahre damit sogleich in meine Pension in der Westerstraße. Ich bin, seit ich im letzten Jahr hier war, gleich als „Stammgast“ eingeordnet worden (ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll?), was mir allerdings ein größeres Zimmer mit dem Preis zu dem eigentlich gebuchten kleineren eingebracht hat. Also, keine Klagen.

Und da bin ich schon beim Thema Unterkunft. Ich habe darüber nachgedacht, wann ich das erste Mal hier war. Es muss 1967 gewesen sein (oh Schreck, wie lange ist das schon her und wie viele Wellen haben sich seitdem am Strand gebrochen?). Damals noch mit meinen Eltern auf dem Campingplatz. Mit Sack und Pack und Zelt mit der Bahn nach Emden und dann rüber auf die Insel. Mehr Stress als sonst was, der sich noch erhöhte beim Aufbau des Zeltes, der sich regelmäßig zu Ehe- oder ganzen Familiendramen auswuchs. Einmal erlebten wir gar einen Wirbelsturm. Die Zeltstangen bogen sich, das Wasser drohte  ins Zelt einzudringen und konnte nur mit dem Einsatz der ganzen Familie beim Ausbaggern von Regenrinnen aufgehalten werden….

Aber ich will die schönen Seiten dieses Übernachtens in der freien Natur nicht unterschlagen! Toll, morgens aus dem Zelt zu steigen und  sich mit vielen anderen im gemeinsamen Waschraum grundzureinigen. Nein, echt, als Kind hat mir das Spaß gemacht, immer draußen sein und essen zu können, war klasse.

Dann wechselten wir 1969 in eine feste Unterkunft, in das kleine Zimmer des Försters, der ab und zu Auszubildende (sogenannte Eleven) hatte, die dort untergebracht waren. Es war wirklich nur ein Zimmer oberhalb der Försterwohnung in den Dünen, das meine Mutter und ich bewohnten. Dusche und Toilette nutzen wir in der Wohnung des Försters. Ich streunte durch die Dünen und fand auch ab und zu mal totes Getier….

In den folgenden Jahren zogen wir für die Urlaubszeit in das Schlafzimmer des Försters um (kann mich gar nicht erinnern, wo er und seine Frau für die Zeit blieben) und frühstückten in seinem Wohnzimmer. Die Familie war sehr nett und gastfreundlich und das Schönste für mich war, dass ich mit den beiden Hunden spazieren gehen durfte! Was mich als Tierschützerin allerdings auf die Barrikaden brachte, waren die Tage, an denen ein Reh oder ein Bock geschossen worden war. Die Einzelheiten will ich euch ersparen. Jedenfalls trafen sich die Jäger anschließend im Försterhaus, bliesen das Halalili und begossen ihren Schuss (Schuß).

Ich will noch erwähnen, dass der Weg, der am damaligen Forsthaus vorbeiführte, den Namen des Försters – Erich Rothkirch – erhalten hat wegen der vielen Verdienste des Försters für den Naturschutz! Wenn ihr mal eine Planwagenfahrt ins Ostland macht, werdet ihr dort hindurch fahren und ich nehme an, der Kutscher wird euch davon erzählen. Ja, und ich habe ihn gekannt!

So, da bin  ich nun schon mitten drin in den Erinnerungen!

Nachdem ich die Vermieterin begrüßt und meine Schlüssel in Empfang genommen habe, gehe ich zum „City Center“, dem Edeka-Markt im Zentrum, um meine Reisetasche bei der dortige Poststelle abzuholen.

Es ist schon früher Abend und ich gehe – das muss sein – die Bismarkstraße hinauf zum Strand, um zu sehen, was sich alles verändert hat seit dem letzten Jahr…Auf dem Rückweg gehe ich auch noch durch die Franz-Habich-Straße, die Fortsetzung der Fussgängerzone jenseits der Gleise und esse im „Knurrhahn“ eine Portion Kibbeling mit Pommes und Remoulade. Der Knurrhahn hat so etwas wie Kultstatus. Von der Größe her eher ein Imbiss, die Küche ist sehr gut, alles frisch und vor allem vor den Augen der Gäste zubereitet. Wie der Name schon sagt: Fisch in allen Variationen. Mich fasziniert weniger das „Ambiente“ als die Menschen hinter dem Tresen. Der Italiener, der die Bestellungen aufnimmt, muss ein fotographisches Gedächtnis haben. Es kann dir passieren, dass du bestellst und wenn du 15 oder 20 Minuten später bezahlen willst, weiß er noch, was du bestellt hattest, ohne auf seinen Zettel zu schauen. Faszinierend. Ebenso wie das Tempo, in dem dort gearbeitet wird. Unglaublich! Ich frage mich, wie viele Jahre man so etwas durchhalten kann…

So, das war der erste Tag…