Heimat

Kürzlich kam mir bei meinen abendlichen Gedankenspaziergängen das Wort Heimat in den Sinn, irgendwie überraschend, denn ich hatte ihn schon lange nicht mehr in meinem aktiven Wortschatz.

Ich frage mich, ob unsere jüngeren Generationen damit überhaupt noch etwas anfangen können. Wer immer eine Heimat gehabt hat und nicht gezwungen war, sie zu verlassen, hat auch keine Veranlassung, darüber nachzudenken.

Für die neu zu uns gekommenen Menschen wird dieses Wort eine Bedeutung, eine sehr schmerzliche haben.

Und dann kamen in meinem Kopf als auch im Fernsehen Bilder zurück, über die ich schon lange nicht mehr nachgedacht hatte. Die Erzählungen meiner Mutter (Jahrgang 1925) von Flucht und Vertreibung aus Pommern, vom Tod ihrer Großmutter auf einem Flüchtlingstreck Richtung Westen, vom Ankommen im Emsland, fremd sein, schuften müssen auf Tabakfeldern, vom schräg angeschaut werden…..vom Leben in einem „Heuerhaus“ mit zugigen Ecken. Ich habe mir darüber als Kind und auch später noch zugegebenermaßen nicht viele Gedanken gemacht, vielleicht war das alles zu abstrakt für mich.

Nun lief vor einigen Tagen ein Bericht über Flüchtlinge im Fernsehen, die am Ende des zweiten Weltkrieges nach Niedersachsen, Bremen und Schleswig Holstein geflohen waren und von  ihren Erinnerungen erzählten. Es waren Bilder, die denen aus den heutigen Flüchtlingslagern fast bis aufs Detail ähnelten: große Hallen, in denen winzige Parzellen mit Decken notdürftig abgedeckt waren, Menschen, die nichts zu tun hatten, Einwohner, die die Parole ausgaben: Türen zu, wenn die Flüchtlinge kommen. Die wollen doch nur stehlen und auf unsere Kosten leben……

Das alles hatten auch meine Eltern erlebt und meine Mutter erzählte davon immer wieder bis ins hohe Alter. So schmerzlich und traumatisch waren die Erinnerungen an den Verlust der Heimat, die sie nie wieder gesehen hat, und an die schweren Lebensbedingungen der ersten Zeit in der neuen Heimat, wenn sie denn eine war.

Und dann denke ich natürlich auch an die Hunderttausenden, die damals die DDR verließen, um in den „goldenen Westen“ überzusiedeln. Sie flüchteten ja auch, weil sie ein besseres Leben erhofften! Sie flüchteten nicht, weil sie Not litten oder weil Krieg herrschte, sie verließen ihre Heimat – soweit ich das beurteilen kann- weil sie nach mehr Freiheit und nach einem besseren Leben strebten.

Sicher sind viele mit falschen Vorstellungen gekommen, wie wahrscheinlich viele Flüchtlinge auch, sicher waren die ersten Jahre im „Westen“ auch schwer, aber schließlich haben wir es doch geschafft, nach und nach zusammen zu wachsen.

Haben wir das alles vergessen?

Manchmal kann ich die Bilder im Fernsehen fast nicht mehr ertragen, die Bilder von Aleppo und anderen Orten, die diesen Namen gar nicht mehr verdienen. Dort ist alles zerstört. Dort gibt es keine Heimat mehr. Können wir uns wirklich vorstellen, was es bedeutet, seine Heimat unter diesen dramatischen Bedingungen zu verlassen und in eine völlig fremde Kultur zu kommen und kein Wort zu verstehen?

Ich glaube nicht. Es erfüllt mich aber mit einem unendlichen Schmerz, die Bilder dieser vielen entwurzelten Menschen zu sehen.

Muss ich dazu sagen, dass es auch unter den Flüchtlingen Menschen gibt, die nicht aus unmittelbarer Bedrohung heraus zu uns kommen und dass es auch einen gewissen Anteil unter ihnen gibt, die keine echten Flüchtlinge sind, sondern hier ihren kriminellen Machenschaften nachgehen wollen. Das ist allen klar und dem muss entgegen gewirkt werden, um nicht all die anderen Menschen unter Generalverdacht zu stellen.

Nach wie vor stehe ich hilflos vor dieser Situation und befürchte, dass es noch schlimmer kommen wird, wenn ich heute in den Nachrichten höre, dass es in Griechenland zu gewalttätigen Auseinandersetzungen wegen der Errichtung von Hotspots gekommen ist und wenn die Nato jetzt mit Kriegsschiffen in der Region patroulliert, angeblich nur, um Schlepperrouten ausfindig zu machen. Es wurde betont, dass es nicht darum ginge, gegen Flüchtlinge vorzugehen. Aber was sonst bedeutet dieser Einsatz? Schon jetzt werden Hilfsorganisationen (Greenpeace) in Griechenland daran gehindert, Flüchtlingsbooten zur Hilfe zu kommen.

In wenigen Tagen findet ein neuer EU-Gipfel zum Thema Flüchtlinge statt und es sieht nicht danach aus, dass es ein Gipfel im Sinne der Flüchtlinge sein wird. Die Zeichen stehen auf Abschottung.

Warum hat die EU nochmal den Friedensnobelpreis bekommen?

Viele Fragen, keine Antworten.

Weihnachten hat unser Pastor den Vergleich mit Jesus im Stall gezogen, auch ihm und seinen Eltern wollte niemand eine Herberge geben. Also, was bedeutet den Untergang des christlichen Abendlandes? Die angebliche Unterwanderung durch Muslime oder das Vergessen unserer christlichen Werte der Nächstenliebe?

Nicht vergessen: Wir sind alle Menschen!

 

 

 

 

 

 

 

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