Leider stammt dieser Titel nicht von mir, aber ich hoffe oder denke mir, dass er die eine oder den anderen schon genau so berührt wie mich. Die Stunde mit mir selbst – ja – wann nehmen wir uns mal die Zeit, eine Stunde mit uns selbst zu verbringen, nur mit uns selbst. Die Zeit, über uns nachzudenken, über den Lauf der Welt…In diesen Zeiten kein leichtes Unterfangen, in der Tat.
Reiner Kunze erzählt in seinem neuesten Gedichtband „Die Stunde mit mir selbst“ kleine „Geschichten“, Begegnungen mit sich selbst und der Welt. Gedichte voller Melancholie über menschliches Unrecht, Scheitern, alt werden. Da ist aber auch ein Funken Hoffnung in allem..
„Wer in vieler sprachen poesie zu hause ist,
findet am grund der verzweiflung ein wort,
das lächelt“ (Übersetzungsprivileg)
Er hat mich getroffen mit seinen Gedichten, ins Herz. Wahrscheinlich, nein ganz bestimmt, weil ich mich in den von ihm beschriebenen Seelenzuständen erkenne. Reiner Kunze ist Jahrgang 1933, mir im Alter also noch ein ganzes Stück voraus, aber ich ahne schon, wovon er spricht, oder habe es selbst schon gespürt: dass das Leben verrinnt, dass es mir Fähigkeiten nimmt und mich auffordert, mich damit abzufinden oder besser noch, es ohne Groll anzunehmen.
Wer sich nicht scheut, der natürlichen Vergänglichkeit des Lebens aber auch der mutwilligen Zerstörung ins Auge zu blicken, wer es aushält, mit sich selbst allein zu sein und in sich und in seine eigenen Abgründe mit etwas Gelassenheit hinabzuschauen, dem lege ich diesen Gedichtband ans Herz, ja genau dorthin, denn er geht zu Herzen.
Die Stunde mit dir selbst
Mit schwarzen flügeln flog davon die rote vogelbeere
der blätter tage sind gezählt
Die menschheit mailt
Du suchst das Wort, von dem du mehr nicht weißt,
als das es fehlt.