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Sonntags unterwegs in Corona-zeiten

Nun, wie geht es Euch mit Corona? Resigniert, frustriert, trotzdem fröhlich, sorgenvoll, wütend? Alles ist möglich, die ganze Bandbreite von Gefühlen. Im Moment drängen sich die Sorgen um die wirtschaftliche Existenz vieler von uns in den Vordergrund, nachdem sich die gesundheitliche Situation auf ein wenn auch sehr fragiles, aber händelbares Maß eingependelt hat. Alles hängt auch und in erster Linie davon ab, wie verantwortlich wir alle mit den Sicherheitsvorkehrungen umgehen und uns danach richten. Ich fühle , soweit ich die Situation überhaupt nachvollziehen kann, mit den vielen betroffenen Unternehmern und Arbeitnehmern mit, und hoffe, dass eine allmähliche Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Lebens gelingt. Scheitern oder Erfolg wirken sich schließlich auf das gesamte gesellschaftliche Leben, sprich auf uns alle aus.

Jetzt zum Thema Masken. Gestern wurde ich schon gleich von einem Mitarbeiter des Supermarktes, in dem ich häufig einkaufen gehe, am Eingang danach gefragt, wo meine Maske sei (ganz freundlich, vielleicht wollte er mich auch nur necken, das macht er öfter). Ich fühlte mich ertappt (war ich doch der Meinung, die Maskenpflicht gelte erst ab kommenden Montag), konnte eben diese Maske aber sogleich aus meiner Tasche ziehen und mich damit bewehren. Für mich ist das absolut in Ordnung und notwendig, wenn wir nicht wieder in schlechtere Infizierungszahlen zurückfallen wollen!

Eine Maske zu tragen, finde ich – wie viele andere sicher auch – nicht unbedingt bequem und angenehm, aber sie gibt mir auch ein gewisses Gefühl der Sicherheit, vorausgesetzt, sie wird von allen anderen auch angelegt. Das ist das geringste Problem. Es gibt so viele verschiedene Modelle und nicht alle sind gleich geeignet. Da heißt es auch ein wenig ausprobieren. Selber nähen hatte ich ja schon ziemlich zu Anfang der Debatte wegen mangelnder Erfolgsaussichten für mich ausgeschlossen.

Das andere ist die soziale Isolation, unter der wir alle leiden. Daran hat sich bisher auch wenig geändert. Immerhin treffe ich mich inzwischen mit meiner Freundin sonntags zu einer Radtour mit anschließendem Kaffeetrinken auf einer Parkbank mit entsprechendem Abstand, versteht sich. Mit einem Kaffee to go (ich habe was gegen diesen ganzen Müll, aber da die Bäckerei, in der wir den Kaffee erwerben, aus hygienischen Gründen keine mitgebrachten Porzellanbecher akzeptiert, was angesichtes der Infektionsgefahr aktuell einsichtig ist, gehe ich schlechten Gewissens über diesbezügliche Bedenken hinweg). Es ist uns einfach sehr wichtig, dass wir uns auch physisch begegnen und miteinander sprechen können, und der Kaffee gibt uns das Gefühl von ein ganz bisschen Normalität. Bei Telefonaten geht so viel verloren an Vertrautheit. Dabei muss ich immer wieder an die Menschen in den Altersheimen denken, die ihre Verwandten nicht sehen und fühlen können. Was für ein Elend. Ob meine Mutter das damals verstanden hätte? Ich glaube nicht und ich glaube auch nicht, dass sie es überstanden hätte, von ihren Töchtern so ganz getrennt zu sein.

Und jetzt möchte ich Euch schildern, wie mein Ausflug von letzter Woche Sonntag, den ich allein unternommen habe, verlaufen ist. Er steht, denke ich, symptomatisch für die allgemeine Situation.

Ich hatte mich entschlossen, nach langer Zeit mal wieder in ein beliebtes Naherholungsgebiet zu radeln. Das Internet gab mir keine klare Antwort auf die Frage, ob das an einem See gelegene Café in irgendeiner Weise geöffnet sein würde. Trotzdem machte ich mich auf den Weg. Es geht schließlich in erster Linie um die Bewegung an der frischen Lust, um den Kopf durchzublasen und trübe Gedanken zu verscheuchen. Es waren allerhand Menschen unterwes zum See und dort angekommen, fand ich sie allerorten auf den wenigen Bänken oder im Gras sitzend vor.

Und: das Café hatte geöffnet im Notbetrieb, d.h. die Räumlichkeiten waren natürlich geschlossen, aber es gab einen Außer Haus-Verkauf mit Getränken, Kuchen und ein, zwei kleinen Speisen. Ohhhh, wie schön!

Draußen standen mehrere Schilder mit Verhaltensregeln, die ich studierte. Eins davon besagte, dass man seine Bestellung per Telefon aufgeben sollte. Fragezeichen in meinem Kopf. Ich stand direkt vor dem Café und sollte telefonisch bestellen. Erst nachdenken…Wahrscheinlich, damit die Kontakte am Verkaufsschalter so gering und kurz wie möglich gehalten werden konnten. Da kam mir ein Mann mit einem dicken Stück Kuchen entgegen und ich fragte ihn, ob er auch telefonisch bestellt hätte. Er verneinte und meinte, er sei erst auf der Toilette gewesen und hätte dann direkt bestellt. Gut. Das machte ich dann auch, ich meine bestellen. Eigentlich wollte ich nur einen Cappuccino trinken, aber der Mitarbeiter pries die selbstgebackene Käsesahnetorte in den höchsten Tönen an (so habe ich es jedenfalls wahrgenommen), dass ich ein Stück dazu bestellte: Cappuccino im Pappbecker, Torte auf Papptablett, das Ganze zum Abtransportieren auf Kellnertablett. Zum allgemeinen Erscheinungsbild: Die Zuwegung zum Café war mit den jetzt überall aufleuchtenden rot-weißen Bändern zu den sonstigen Sitzplätzen abgesperrt. Ich ging den Weg herunter und setzte mich am Ende auch die Steine, die den Weg begrenzen. Die einzige verfügbare Bank in angemessener Nähe war besetzt. Wie es nun eigentlich geschehen konnte, weiß ich nicht, jedenfalls verlor die Käsesahnetorte auf dem Papptablett ihr Gleichgewicht und kippte zur Seite. Geistesgewärtig griff meine freie Hand zu und unter die Sahnetorte! Da stand ich nun: Tablett in der einen Hand, Käsesahnetorte in der anderen. Aber was für ein Glück, denn die Torte war gerettet. Vorsichtig beförderte ich sie zurück auf ihre Unterlage, nicht ohne Schäden an der äußeren Erscheinung, aber eben essbar. Ich gestehe, ich konnte nicht widerstehen und leckte die Reste auf meiner Hand kurzerhand und weggedreht von übrigen Publikum ab. Was sollte ich auch sonst machen.

Es dauerte nicht lange und eine ebenfalls ältere Frau näherte sich. Auch sie studierte die diversen Hinweisschilder und murmelte in sich hinein, dass sie kein Telefon dabei hätte. Schließlich fragte sich mich, ob ich per Telefon bestellt hätte, was ich verneinte. Nach einer Weile kam sie mit Kaffee und gebackenem Käsekuchen wieder. Vielleicht hatte sie geahnt, dass das mit der Beförderung von Sahnetorte schwierig werden konnte. Nun wusste sie nicht so recht, wo sie sich hinsetzen sollte und schaute sich hilfesuchend um. Dann kam sie auf mich zu und meinte, dann würde sie sich zu mir setzen. Ich neigte meinen Oberkörper instinktiv weit nach hinten, den Kuchen in meiner Hand wohl beobachtend, und bat sie, sich doch weiter weg etwas zu suchen. Schließlich nahm sie direkt gegenüber auf der anderen Seite der Mauer Platz. So mampften wir nun endlich in Ruhe jede ihren Kuchen. Derweil beobachtet ich eine Szene, die sich auf dem Spazierweg unterhalb des Cafés ereignete. Da stand ein älteres Ehepaar an seinen Fahrrädern und machte sich dort zu schaffen. Ein kleiner Hund wuselte um sie herum. Ein anderes Paar ging vorbei – ich habe nicht genau gesehen, was passiert ist, aber ich vermute, der vorbeigehende Herr hat den kleinen Hund übersehen und angerempelt, ohne dass letzterer große Verletzungen davon getragen zu haben schien, soweit ich es beurteilen konnte. Jedenfalls blökte die Hundebesitzerin den Herrn an. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah, ging ein paar Schritte weiter und blökte zurück. Dann kam aus der Gegenrichtung ein anderer älterer Herr mit einer jüngeren Frau in Begleitung vorbei und meinte, ob es denn wohl nötig wäre, in den ohnehin schwierigen Zeiten so einen Aufstand zu machen. Oh, das hätte er besser gelassen. Die Frau begann, ihn wirklich unflätig zu beschimpfen und hinterher zu rufen. Nur ein Auszug: ich würde dem Arschloch am liebsten in den Hintern treten. Ihr Begleiter sagte dazu nichts. Der ältere Herr war etwas überrascht über diese Reaktion und bekam auch wohl etwas Angst. Mann, Frau und Hund verließen den Ort. Kurze Zeit später kam der ältere Herr wieder zurück und wollte sich im Café etwas kaufen bzw. für seine Tochter und die Enkelkinder, die ich jetzt auch wahrnahm. Er fragte mich, wie das Verfahren wäre und verschwand Richtung Verkaufsstand. Zurück, jeder mit einem Eis in der Hand, machte der Herr mich und die andere Frau auf den Steinen darauf aufmerksam, dass es verboten sei, sich dort hinzusetzen, da ein Schild verlange, dass man 50m Abstand halten müssen beim Verzehr seiner Speisen. Weder ich noch die Frau hatten dieses Schild gesehen. Formal gesehen hatte der Herr wohl recht, aber in diesem Fall entschieden wir uns, dort sitzen zu bleiben, denn wo sollten wir hin und wir blieben in angemessenem Abstand sowohl vom Verkaufsstand als auch von den zirkulierenden Menschen. Der ältere Herr insistierte noch ein oder zweimal. Letztlich ging er mit dem Hinweis, dass er uns aber nicht verraten würde! Na, wer weiß?

Gerade noch hatte er sich über das übergriffige Verhalten der Dame mit dem Hund beschwert, nun betätigte er sich in gleicher Weise als Wärter der öffentlichen Ordnung. Sei’s drum. Kaffee und Kuchen haben in der Sonne hervorragend geschmeckt und ich habe mir den Tag nicht verderben lassen….

Wie der alte Mann so treffend gesagt hatte: muss man sich in ohnehin schon schwierigen Zeiten auch noch so aufregen und vor allem so unfreundlich sein. Eigentlich sind doch Toleranz und Solidarität gefragt. Ja, so sind wir Menschen eben.

Ich vermute, Ihr werdet ähnliche Szenen erleben. Viele Menschen sind angespannt oder einfach auf Krawall gebürstet, weil sie mit der Situation nicht klar kommen. Aber es ist für uns alle nicht einfach! Und beleidigen lassen muss man sich sowieso schon nicht.

Also, immer schon freundlich bleiben.

Eure Claudia

Käsesahnetorte