Reise nach Berlin

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Ich bin ein bisschen ins Hintertreffen geraten mit meinen Beiträgen…zugegeben, aber manchmal ist das tägliche Leben einfach wichtiger bzw. nimmt einen größeren Raum ein, so dass für dieses „Hobby“ keine Zeit oder keine Energie mehr da ist. Heute möchte ich aber dennoch über eine Reise nach Berlin berichten, die ich im November unternommen habe. Eine Arbeitskollegin, die auch sehr an Literatur interessiert ist und mit der ich zusammen mit anderen Kolleginnen 2016 schon mal eine Reise nach Hamburg zu einer Lesung von John Irving unternommen hatte, startete im Sommer eine Umfrage unter möglichen Interessierten für eine Reise nach Berlin zu einer Lesung von Salman Rushdie zu seinem neuen Roman „Golden House“. Bis dahin kannte ich Rushdie nur als Autor der „Satanischen Verse“ und den daraus für ihn resultierenden Folgen.  All das auch nur aus den Medien. Daher war ich interessiert, mehr über diesen Autor zu erfahren. Schlussendlich blieben wir zu zweit, die wir nach Berlin fahren wollten. Wir beschlossen, wenn wir schon mal da wären, auch noch etwas länger dort zu bleiben und machten ein kleines kulturelles Programm. Das aus der Reihe „ich unternehme so viel, wie ich jetzt noch kann“.

Wechselbäder

der Zug ist voll

wohin fahren all diese Menschen

warum machen sie sich auf den Weg und was versprechen sie sich davon?

Für mich eine Gelegenheit, mich aus dem Alltag herauszuheben und etwas zu erleben

in die Hauptstadt zu fahren

erster Klasse, was für ein Luxus

für mich tatsächlich das erste Mal in meinem Leben in der ersten Klasse,

angenehm, aber irgendwie passt das nicht zu mir….

trotzdem genieße ich diesen „Luxus“, denn die zweite Klasse ist rappelvoll…

muss ich mich dafür rechtfertigen?

 

Hotel Motel One

am Bahnhof Zoo

ihr erinnert euch – die Kinder vom Bahnhof Zoo  –

als bestes Low Budget Hotel 2016 ausgezeichnet

zu Recht

Zentrale Lage, Lounge, gutes Frühstück… schöne Zimmer

und am Breitscheid-Platz

auch daran werdet ihr euch erinnern

vor einem Jahr

das Attentat

Anis Amri

beklommen gehe ich über den spärlich besuchten Weihnachtsmarkt, vorbei an den Kerzen und Kreuzen vor der Gedächtniskirche

die Stimmung ist nicht fröhlich, wie auch

schwer bewaffnete Polizisten patroullieren…..

die Polizei ist überall präsent

vor dem Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt

beim Eintritt in den Fernsehturm

vor der Autorenlesung

überall wirst du „gefilzt“, Mantel aufhalten, Tasche vorzeigen…

Das bin ich nicht gewöhnt

aber ich werde mich daran gewöhnen müssen

dass sich das Leben verändert

dass wir uns verändern

auch wenn wir immer wieder betonen, dass wir uns unsere Lebensfreude nicht verderben lassen

es verändert uns

Lesung und Interview mit Salman Rushdie im RBB (Rundfunk Brandenburg Berlin, habe ich gelernt)

auch hier Eingangskontrollen

der Saal füllt sich nur langsam, wir befürchten schon, dass es eine „traurige“ Veranstaltung wird, aber nach und nach kommen doch noch Menschen

um diesen eindrucksvollen, klugen und humorvollen Mann kennenzulernen

Boh, ist der klug und weiß der viel

Als ich zu Hause begonnen habe, seinen Roman zu lesen, habe ich das gedacht und weiter, dass ich vieles gar nicht verstehe, worauf er sich bezieht..

Rushdhie erzählt von der Entstehungsgeschichte des Romans, zwischendurch liest der Schauspieler Denis Abrahams in faszinierender Manier einige Passagen aus dem Roman und lässt die Personen lebendig werden.

Am meisten hat mich die Aussage von Rushdie beeindruckt – und er hat hinzugefügt, dass er weiß, dass es sich unwirklich anhört, aber die Wahrheit ist – dass er die Person des Jokers (D. Trump) so entworfen hat, bevor Trump zum Präsidenten gewählt worden ist, und dass er selbst bis zur letzten Minute nicht geglaubt hätte, dass dieser Fall tatsächlich eintreten könnte. Rushdie meinte, seine Geschichte habe ihn davon getragen…und die Führung übernommen!

Kurzum, ich war sehr angetan von der Lesung und diesem Menschen. Schon deshalb hatte sich die Reise gelohnt.

Aber auch hier die Eingangskontrolle und Wachleute, die während der Veranstaltung präsent waren. Bei Rushdie hat diese Tatsache noch mal eine andere, schwerwiegendere Qualität.

Ich sitze in der U-Bahn und sehe in meist müde Gesichter, jeder in sich selbst versunken. Ich frage mich, ob die Menschen hier in Berlin anders sind, anders denken als ich aus der „Provinz“. Es sind Menschen wie du und ich, aber sie haben eine andere Realität in der Großstadt. Es ist laut, es ist hektisch, es ist gefährlicher. Aber es ist auch mehr los.

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Am nächsten Tag nehmen meine Kollegin und ich erst mal die Buslinie 100. Sie fährt an einigen Sehenswürdigkeiten vorbei zum normalen Bustarif, aber ohne Erklärungen. Die holen wir uns aus dem Reiseführer. Praktisch. Ich fahre anschließend in fast atemberaubendem Tempo die 368 m zum Fernsehturm hinauf und habe von dort einen Rundumblick auf das allerdings trübe dreinschauende Berlin.

Am Nachmittag besuchen wir eine Multimediaschau mit bewegten Bildern von Expressionisten in einem Hinterhof. Die Bilder werden begleitet von Äußerungen der jeweiligen Maler zur „conditio humana“, laut Wikipedia die „Gesamtheit der Grundbedingungen der menschlichen Existenz“ . Davon ist mir ein Satz von Vincent van Gogh im Gedächtnis geblieben, der mich beeindruckt hat, was vermutlich etwas mit mir zu tun hat:

„Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren“

Anschließend statten wir den „Galeries Lafayette“ noch einen Besuch ab. Als Frankophile ist das für mich ein Muß, habe ich gedacht. Naja, wir waren beide ent-täuscht. Die Glaskuppel, die im Fernsehen immer so gewaltig aussieht, ist im Vergleich zu den Bildern mikrig, das ganze Haus eigentlich auch, d.h. wir haben ganz unten in einen kleinen französischen Restaurant etwas gegessen und uns da in der Feinkostabteilung etwas umgeschaut. Das hat mir schon gereicht.

Für den Abend entschließe ich mich, in das nahegelegene Europacenter zu gehen, das wie die Stachelschweine, die dort auf der Bühne stehen werden, in die Jahre gekommen ist. Die „Stachelschweine“ haben inzwischen mit Unterbrechungen fast 70 Jahre auf dem Buckel. Ich erinnere mich noch an Wolfgang Neuss und Günther Pfitzmann. Die Vorstellung „Alternative Fakten“ gefällt mir , mehr aber auch nicht. Für mich bleibt Dieter Hildebrandt immer noch der beste aller Kabarettisten.

Als ich über den jetzt schon fast menschenleeren Breitscheidplatz zurück zum Hotel schlendere, höre ich Trommeln und Gesang. Ich nähere mich der Musik und treffe auf zwei Drummer, die draußen eine kleine Menschenmenge mit ihrer Musik und vor allem ihrem Rhythmus in Wallung bringen. Und auch mich. Der Rhythmus geht uns allen in die Beine. Die Menge wiegt sich mit und tanzt und klascht. Das ist die wahre Lebensfreude. Hier vergesse ich mal alle schweren  Gedanken. Der Drummer, der blaue Fässer zu seinem Instrument gemacht hat, gibt alles. Er ist sicher auch schon Mitte 50 und am Ende schweißgebadet. Ich nehme eine CD mit dem Titel „Drum the world“ mit nach Hause. CD und live sind nicht das Gleiche, aber die CD erinnert mich an diesen unwiderbringlichen Moment.

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Am nächsten Tag schaue ich mir noch den Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt an, der mir gut gefällt. Dann, nachdem  ich mich im Gewirr der U-Bahn etwas verheddert habe und mir ein Mann freundlicherweise weiterhilft (wir unterhalten uns kurz und er erzählt, dass er mal beruflich in Osnabrück zu tun hatte), fahre ich noch zum Hackeschen Markt.

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Das ist nun wieder ganz nach meinem Geschmack: Ein kleiner Markt mit vielen türkischen Spezialitäten,  Cafés drumherum, wo man sich im Sommer sicher ganz gemütlich draußen niederlassen kann.

Ein schöner Abschluss meiner Reise…

Wie ihr lesen konntet: ein Wechselbad der Gefühle. Nichtsdestotrotz eine Fülle neuer Eindrücke. Und darum geht es: Neue Eindrücke, Begegnungen, Erfahrungen. Das Leben in sich aufnehmen.

Also: macht euch auf den Weg, wohin auch immer!

Liebe Grüße

Eure Claudia

 

 

 

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