Es war schon fast dunkel, als ich behelmt auf dem Fahrrad mein Stammcafé verließ, in dem meine Bestellungen inzwischen keines Wortes mehr bedürfen, ebensowenig wie mich – wie es denn eigentlich üblich wäre – nach dem Preis zu erkundigen. Das ist Heimat, nicht wahr?
Behelmt deshalb, weil es natürlich dem Schutz meines Denkorgans dient, dem eine entsprechende Aufmerksamkeit gut tut und es außerdem vor weiteren Unfällen bewahren bzw. die Folgen in Grenzen halten soll. Man schaue sich jetzt kurz dieses Wort genauer an – ein Un fall – es handelt sich nicht einfach um einen Fall, der ja auch rein harmlos sein kann – nein, um einen Un fall. Hier verheißt die Vorsilbe Un- nichts Gutes. Auf den Vor – fall von vor genau zwei Jahren, dem ein An – fall von Amnesie folgte, will ich jetzt nicht näher eingehen. Er wurde zu Zeiten ausführlich beschrieben und hat eben zu dem konsequenten Tragen eines Helms geführt. Aber das nur nebenbei.
Ich fuhr also so vor mich hin, nicht ohne den Weg, auf welchem ich fuhr, genau zu beobachten und zu überlegen, welche Schwenkungen ich mit dem Lenkrad vorzunehmen hatte, um nicht auf dem zahlreich sich auf dem Rad- und nicht Blattweg ausbreitenden Laub auszugleiten. Damals muss genau dies geschehen sein – so kann ich nur mutmaßen, denn es fehlt mir jede Erinnerung an diesen Vor – Un- An-fall, außer das ich, wie gesagt, circa 15 min später irgendwie wieder zu Hause ankam, mein Familienmitglied sofort mein merkwürdig abwesendes Verhalten wahrnahm und entsprechende Rettungsaktionen einleitete …
Ich schweife wieder ab, aber diese Vorgeschichte ist natürlich nicht un – wichtig, um meiner Beschreibung folgen zu können.
Zu den widrigen Bedingungen auf dem Radweg gesellte sich die zunehmende Dunkelheit und meine altersbedingt verminderte Nachtsicht.
Allerdings nahm ich in einiger Entfernung zwei dunkle Gestalten wahr, – Fuß-, nicht Un-gänger, denn hier teilen sich rechtmäßig Fußgänger und Radfahrer den Weg. Messerscharf schloß ich aus den un-scharfen Silhouetten, dass es sich um weibliche Wesen nicht geringen Umfangs handelte, die den Weg vereinnahmten. Ich näherte mich und überlegte noch, wie ich reagieren sollte – klingeln oder nicht – man kann es ja nie richtig machen, als ich eine Stimme hörte, die besorgt ausstieß: „Pass auf Kurti“
Nun suchte ich folgerichtig diesen Kurti und fragte mich nebenbei sofort, wer und wie er wohl sein könnte, sah aber nur besagte Frauen, die jetzt allerdings zur Seite gingen, ohne sich umgesehen zu haben. Ob sie meine Gedanken erahnt und dem eindringlichen Ton meiner Klingel entgehen wollten?
Aber wo war nun Kurti, der aufpassen sollte?
Ich senkte meinen Blick zur Erde und sah dort etwas Kleines herumwuseln. Bei näherem Hinsehen – ich musste schon recht dicht auffahren – erkannte ich ein kleines Hundewesen, das mit seiner Nase im Laub herumstöberte und sich um die ausgestoßene Warnung des Frauchens nicht recht scherte. Das war er also, Kurti.
Da Kurtilein nicht spurte, wurde der Ansage durch Ziehen an der Kurti-Leine Nachdruck verliehen. Keine Chance für Kurti, den Gehorsam zu verweigern.
Vergnügt fuhr ich weiter auf der jetzt freien Bahn und hing noch eine Weile meinen Gedanken nach, was Kurti wohl zu der ganzen Sache gesagt hätte? Und ob der mal groß gewesen war?