Eigentlich wollte ich euch meine neuen Buchtipps ja noch vor dem Fest und vielleicht für das Fest mit auf den Weg geben, aber wie das so ist vor Weihnachten. Jetzt erst, am 2. Weihnachtstag, ist es ein bisschen ruhiger und ich möchte euch kurz 3 Bücher vorstellen, die ich kürzlich gelesen habe und dir mir – versteht sich von selbst – gut gefallen haben:
1. Mariana Leky – Was man von hier aus sehen kann.
Beim Recherchieren las ich gerade, dass das Buch auf der Spiegelbestsellerliste stand oder noch steht (?). Spiegelleser wissen in diesem Fall also mehr als ich.
Als Liebhaberin von etwas skurrilen Geschichten und Menschen bin ich also bei Leky fündig geworden: Wenn die alte Selma aus einem Dorf im Westerwald mal wieder im Traum ein Okapi sieht, gerät das ganze Dorf in Panik, denn nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit wird innerhalb der nächsten 24 Stunden jemand den Tod erleiden. Jeder fragt sich, ob er der nächste sein wird, natürlich gilt das auch für die weibliche Bevölkerung. Die Bewohner suchen Rat bei einer Kräuterhexe, aber für diesen Fall ist auch sie machtlos. So tummeln sich in dem Dorf eine ganze Menge merkwürdiger Typen, von denen aber keiner links liegen gelassen oder „ausgestoßen“ wird. Naja, auf jeden Fall bringt es alle zum Nachdenken, was sie noch zu regeln hätten, falls es dieses Mal sie treffen würde. Sie schreiben Briefe mit allerlei Beichten und Bekenntnissen, die jetzt einfach raus müssen. So auch der Optiker, Selmas langjähriger Freund, der schon einen Koffer voll angefangener Briefe mit seinen Liebeserklärungen zu Hause verbirgt, die er nie vollendet geschweige denn verschickt hat. Wenn das Schicksal sich jemand anderen ausgesucht hat, wird die Post heimlich wieder aus dem Briefkasten geholt. Dann war es das mit der Wahrheit.
Selma kümmert sich liebevoll um Luise, ihre zu Beginn der Erzählung 10jährige Enkelin, deren Eltern mit sich selbst und ihrer Dauerehekrise beschäftigt sind. Luise verbringt ihre Zeit mit ihrem Schulfreund Martin…als das erste große Unglück passiert. Der Roman rankt sich um das Leben von Luise innerhalb dieses etwas merkwürdigen und doch liebenswerten Dorfes. Freud und Leid, das überwunden werden muss. Wie im richtigen Leben, aber auch irgendwie schräg. Wie gesagt, ich mag das sehr und finde die Skurrilitäten von Leky auch durchaus gelungen.
2. Alte Liebe von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder
Dieses Buch ist schon 2009 erschienen. Ich war im Frühjahr auf der LitCologn bei einer Lesung aus diesem Buch mit Mariele Millowitsch und Walter Sittler, zwei Schauspieler, die ich sehr schätze und die diesem Buch im wahrsten Sinne des Wortes Leben eingehaucht haben. Es handelt sich um den Dialog eines alternden Ehepaares, Lore und Harry. Nach fast vierzig Jahren Ehe stellen sich beide die Frage, wie es mit ihnen weitergehen soll. Aufhänger ist die bevorstehende 3. Heirat ihrer Tochter, bei der beide kein gutes Gefühl haben, weil ihre Tochter ihr Leben bis dato – sie ist jetzt schon 30 und hat eine Tochter – einfach nicht in den Griff bekommen hat und jetzt ein steinreichen, aber absolut nicht „aussagekräftigen“ Industriellen heiraten will. Sie wäre damit alle finanziellen Sorgen los und versorgt, aber das ist nach Meinung der Eltern auch alles, oder auch nichts, worauf man stolz sein könnte. Lore und Harry streiten also des langen und breiten darüber, ob sie beide zu der Hochzeitsfeier reisen sollen. Harry will partout nicht, Lore eigentlich auch nicht, aber sie will ihre Tochter auch nicht enttäuschen. Aber das ist nur der äußere Anlass einer Auseinandersetzung der beiden mit ihrer Ehe und dem älter werden. Jeweils einer von beiden ergreift das Wort und schildert seine Sicht der Dinge….Schließlich entscheiden sie, zu der Hochzeit der Tochter zu fahren. Aber das ist nicht alles…..bitte weiterlesen.
Ich habe natürlich die hervorragende Darstellung der beiden Schauspieler im Kopf und weiß nicht, wie es dem Leser ohne diese Bilder geht. Aber allemal ein literarisches Kleinod, das die uns alle umtreibenden Fragen des Alterns (in einer Ehe) mit einer Mischung aus Komik und Tragik erzählt.
3. Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
Joachim Meyerhoff ist kein unbekannter Autor, mir aber bisher nur aus launigen Auftritten in Talkshows geläufig. Erst bis zur Hälfte gelesen, reicht es allemal für eine Empfehlung. Meyerhoff ist auf dem Gelände einer von seinem Vater geleiteten psychiatrischen Klinik aufgewachsen und hat schon von daher genug Stoff , den er in seinen Romanen verarbeiten kann/muss.
Nachdem einer seiner Brüder tödlich verunglückt, gerät sein bis dahin halbwegs stabiles Leben ins Wanken, nein er verliert den Boden unter den Füßen. Nach einem Aufenthalt in Amerika weiß er nicht, wie es weiter gehen soll. Zwei Optionen gehen ihm durch den Kopf:
- Die romantische Vorstellung von einer Stelle als Zivildienstleistender in einem Münchener Kinderhospital mit Unterkunft im Schwesterwohnheim
- Bewerbung bei der Schauspielschule München
Völlig unerwartet stolpert er letztlich in die Schauspielausbildung.
Er kann bei seinen Großeltern in deren Villa in München leben, durchaus ein Vorteil bei den Mieten in der Stadt.
Nun erleben wir sein Hin- und Hergeworfensein zwischen dem abgezirkelten und nicht zu knapp mit Alkohol begossenen Leben seiner Großeltern und den bis an die physischen und psychischen Grenzen gehenen Herausforderungen der Ausbildung mit, immer mit einem tragikkomischen Blick auf die Dinge…
Viel Spaß beim Lesen….


