In den letzten Wochen sprießen allerorten Artikel, Videos, Podcasts zum Thema Corona aus dem Boden, nicht zuletzt, weil wir alle mehr oder weniger in Quarantäne leben und der Kontakt mit der Außenwelt sich auf ein Minimum beschränkt muss. Was das mit uns macht, wird überall spürpar, so auch in dem Bedürfnis, sich irgendwie mitzuteilen. Nichts, was vordem selbstverständlich war, hat noch Bestand. Sagen wir, was für uns hier selbstverständlich war: Einkaufen, Shoppen, kulturelle Veranstaltungen, im Café sitzen, Arztbesuche, zur Arbeit gehen usw. usf. Alles, was unser Leben ausgemacht hat, oder was wir dafür gehalten haben.
So habe ich mit mehreren meiner FreundInnen zumindest telefoniert, um zu hören, wie es ihnen gerade ergeht. Und es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie groß die Bandbreite der möglichen Reaktionen ist: Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind alle nicht mehr ganz jung – so zwischen 70 und 90 – aber alle haben sie ihre ganz persönliche Sicht auf die Dinge, die von Verzweiflung über die Situation und im wahrsten Wortsinn Mitleiden mit den betroffenen Mitmenschen über ein fast stoisches Annehmen der Lage bis hin zu kreativen Ideen der Freizeitgestaltung und Kontaktpflege per Computer reichen. Ich bin irgendwo in der Mitte.
Gut so, wenn wir erfinderisch werden und versuchen, die Situation irgendwie zu meistern (nun nicht gerade, in dem wir uns auf ein Warentransportband setzen und auf dem Kauf von Toilettenpapierpaketen bestehen – ich berichtete darüber).
Gut so, wenn wir ein Auge auf die Nachbarn und Feunde haben und schauen, wie es ihnen geht und ob wir etwas für sie tun können. Das ist überhaupt das Beste, was wir tun können. Dann besteht weniger die Gefahr, dass wir in Depression abgleiten. Tun ist besser als leiden.
Gutes Wetter empfiehlt sich immer für einen Spaziergang oder eine Radtour. Morgendliche Gymnastik mit dem Bayerischen Rundfunk bringt den Kreislauf in Schwung und strukturiert auch schon den morgen (morgens von 07:20 – 7:35 Uhr und von 08:30 – 08:45 Uhr mit verschiedenen Angeboten, nachzuschauen unter Tele-Gym).
Ich war schon drauf und dran, selbst zur Tat zu schreiten und mir meinen eigenen Mund-Schutz zu nähen, war dann aber doch ganz froh, als ich professionell genähte Exemplare in der Apotheke ergatterte, deren Erlös überdies dem hiesigen Kinderhospizverein zugute kommt (!). Froh deshalb, weil die Aktion mir vermutlich keine Freude gebracht hätte mit meinen rudimentären Nähkenntnissen und meiner sprichwörtlichen Ungeduld bei kleinteiligem Arbeiten. Also dann besser Frustvermeidung.
Wie gesagt, ich irgendwo immer in der Mitte zwischen Optimismus und depressiver Verstimmung. Depressiv, wenn ich sehe, dass es so vielen anderen Menschen noch viel schlechter geht als mir (mir geht es eigentlich überhaupt nicht schlecht: ich habe zu essen, ein Dach über dem Kopf, eine Arbeit und bin nicht infiziert). Wütend, wenn ich bestimmte Politiker höre und sehe, die die Pandemie erst runterreden und jetzt Gott und der Welt die Schuld daran geben und denen es offensichtlich egal ist, wenn tausende von Menschen sterben müssen. Wütend auch, wenn im Netz Menschen unqualifiziert fordern, mit dem ganzen „Quatsch“ sprich Eindämmungsmaßnahmen aufzuhören und sich lauthals darüber beschweren, dass sie anschließend die Zeche werden zahlen müssen. Klar, dass da einiges auf uns zukommt, aber ich wünsche diesen Leuten wirklich nicht, dass sie sich infizieren und dann in eine heillos überfüllte Klinik mit überfordertem Personal eingeliefert werden. Denken die Leute über sowas nicht nach? Heute hat doch tatsächlich jemand gepostet, dass man die Angst vor dem Virus ( mit Totenkopf) nicht über die Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang (wieder mit Totenkopf) stellen sollte. Ich kann die existentielle Angst vieler Unternehmer (ich weiß nicht, ob es sich um einen Unternehmer gehandelt hat) sehr gut verstehen, aber die wirtschaftlichen Interessen über das Leben vieler Menschen zu stellen, geht mir doch zu weit. Oder meint derjenige, dass er nicht zur Risikogruppe gehört und dass man die Alten ruhig opfern kann? Ich weiß es nicht. Man muss die Sachen auch zu Ende denken. Zumindest fehlen mir dann Vorschläge, wie man mit der Situation anders umgehen soll.Das ist der depressive und zornige Part in mir.
Und dann ist da manchmal auch Trauer. Worüber kann ich nicht so genau sagen, aber ich glaube, der Mangel an persönlicher Begegnung und Gesprächen macht mir am meisten zu schaffen. Wahrscheinlich geht es vielen von euch genauso!? Alles andere ist für mich irgendwie verzichtbar, sofern es nicht um die Existenzsicherung geht, aber das: das Gespräch, das sich nahe sein, das fehlt mir. Und das ist auch wieder einmal die entscheidende Frage: was ist wirklich von Bedeutung? Die Zeit, die wir sonst mit allerhand Aktivitäten füllen, ist jetzt manchmal beängstigend leer und zwingt zum Nachdenken. Oder es wird uns bewusst, dass das Leben, so wie wir es führen, „leer“ ist, dass es ihm an „Sinn“ fehlt. Das kann dazu führen, dass wir daran verzweifeln, dass wir agressiv werden und anderen die Schuld an der Misere geben oder unser Leben auf den Prüfstand und auf tragfähigere Füße stellen. Alles ist möglich. Letztlich haben wir als im Prinzip vernunftbegabte Wesen die Wahl, in welche Richtung wir gegen wollen.
Ja. ich gestehe mir in diesen Zeiten zu, traurig zu sein, die Trauer auch nicht zu verdrängen, sondern ihr auf den Grund zu gehen und zu schauen, was sie mir sagen will. Das ist nicht immer leicht, denn sie könnte mir sagen, dass in meinem Leben etwas nicht stimmt, dass ich die Priotitäten falsch setze und dann wird es ernst. Jetzt, in diesen unsicheren Zeiten, wird der Ruf der Seele – so will ich es mal für mich persönlich nennen – lauter und lässt sich nicht so einfach zudecken.
Ja mal schauen. Gegenwärtig ist von allem was dabei, was das Gefühlsleben so bietet.
Ich wünsche euch allen alles Gute….haltet die Ohren steif und die Augen offen füreinander, für Neues, Bewährtes, Tragendes und Schönes!
