Prophylaxe

Schon mal gehört? Prophylaxe gibt’s ja überall: Gesundheitsprophylaxe, Krisenprophylaxe, Profilaxe usw usf.

Bei mir persönlich findet Prophylaxe im Allgemeinen nur beim Zahnarzt statt, meine Zähne sind mir schließlich „heilig“, und all die anderen Ratgeber fürs Leben lasse ich meist links oder rechts liegen. Frau weiß beim Lesen nach kurzer Zeit sowieso nicht mehr, was sie tun und nicht lassen kann…Jeder weiß es besser.

Zurück zu meiner Prophylaxe.

Da bin ich konsequent: einmal im Jahr findet eine Grundreinigung statt. Bisher hatte ich von meinem Zahnarzt immer gute Pflegenoten bekommen und heischte nach einer Bestätigung durch meinen neuen Zahnarzt und dessen Helferin. Nun, letztere bestätigte mir bei der Durchsicht lediglich, dass ich an die tiefen Stellen im Zahnfleisch mit der Bürste gar nicht ran käme. Also nur Teilentlastung.

Dann werde ich per Knopfdruck in eine liegende Position gebracht, die jeden Widerstand sogleich zwecklos macht, und ein Rotor beginnt in meinem Mund sein Unwesen zu treiben. Unaufhörlich bohrt er sich unter mein Zahnfleisch, während der Absauger vergeblich gegen die Wassermassen, die meinen Mund überschwemmen, ankämpft. Bevor ich absaufe, reiße ich verzweifelt meinen linken Arm in die Höhe – mit dem anderen hätte ich zweifelsohne die Zahnartzhelferin vom Hocker geholt – und sie gewährt mir,  auch aus Selbstschutz, eine kurze Schluck- und Atempause.

Anschließend kommt sie mit dem Skalpell für Zahnärzte und ritscht und ratscht von oben nach unten jedes Körnchen Zahnstein weg und zeigt mir auch noch stolz das Ergebnis.

Dann wird noch poliert und ich gebe mich der Hoffnung hin, dass ich mich jezt entspannen kann, denn in meinem Mund verbreitet sich ein angenehm frischer Pfefferminzgeschmack.

Als ich mich also schon am Ende der Behandlung wähne, und der Blutdruck sich langsam wieder auf sein normales  Niveau einpendelt, fragt mich die Zahnarzthelferin, ob ich schon „Air Flow“ kennen würde. Ich verneine. Ich hätte zwar schon mal davon gelesen im Angebotsspektrum der IGEL-Leistungen meines vorherigen Zahnarztes, (der inzwischen wegen Insolvenz das Land verlassen hat, wahrscheinlich weil nicht genügend PatientInnen von diesen Sonderleistungen Gebrauch gemacht hätten), wüsste aber nicht genau, was das ist. Sie erklärt, dass man damit Verfärbungen entfernt, und die Zähne anschließend wieder in strahlendem Weiß erscheinen. Naja, kann mir nur recht sein. Das schaffe ich dann auch noch.

Daraufhin cremt sie mir die Lippen ein und zieht über dieselbigen eine Plastikapparatur, die die Lippen schützen und gleichzeitig meinen Mund offensichtlich weit geöffnet halten soll. Schade, dass ich davon keine Selfie machen konnte. Das wär ein schönes neues Bild geworden für die Social Media. Scherz beiseite, Mund weit aufhalten bei notorischer Verspannung der Nacken- und Kiefermuskulatur ist eine Tortur an sich. Dann wird mir noch das Gesicht verhängt mit einem Tuch, und die Zahnarzthelferin bittet mich, die Augen während der Behandlung auch schön gesschlossen zu halten. Was kommt denn jetzt noch?

War ich  mir eben noch sicher, mich auf dem Behandlungsstuhl meines neuen Zahnarztes zu befinden, fühle ich mich augenblicklich in einen Sandsturm in der Sahara versetzt, als sich ein Sandstrahlgebläse in Gang setzt und mir gefühlt nicht nur den gesamten Zahnschmelz von meinen Zähnen entfernt, sondern auch noch in jeden Winkel meines Mundes eindringt und eine feucht-sandige Masse hinterlässt. Inzwischen sehe ich ein, dass die von mir gerade noch mit einem geistigen Kopfschütteln bedachten Sicherheitsmaßnahmen der Erhaltung meines Lebens dienen und schenke meiner Zahnartzhelferin einen dankbaren Blick, als sie mir das Tuch wieder vom Gesicht nimmt und ich feststelle, dass ich weitgehend unversehrt wieder auf meinen Zahnarztstuhl zurückgekehrt bin.

Als ich endlich ausspülen darf, stelle ich fest, dass das Becken, das die Sand-Speichelmischung aufnehmen soll, sowohl, was seine Höhe als auch den Winkel zum Behandlungsstuhl angeht, nur schwer erreichbar ist, so dass ich bei dem Versuch, den Becher zum Ausspülen zu erreichen, halb aus dem Stuhl falle und mit dem Kinn auf dem Beckenrand lande. Ich erinnere mich an das Gefühl, als ich vor Jahren mit meinem Sohn in einen Vergnügungspark gefahren bin, in dem ein überdimensionales Haus aufgebaut war, um zu demonstrieren, wie sich kleine Kinder angesichts der fast unerreichbaren Möbelstücke fühlen. Auch die Zahnarzthelferin räumt ein, dass es sich wohl um  eine Fehlkonstruktion handelt. Jetzt wird mir auch blitzartig klar, warum sie mir nicht schon früher die Möglichkeit angeboten hat, den Mund zu spülen. Mit letzter Kraft gelingt es mir, den Becher zu ergreifen, an meinen Mund zu führen und mich endlich vom Saharasand zu befreien.

Geschafft.

Zu Hause angekommen, schaue ich neugierig in den Spiegel und bins zufrieden. Hat sich dann doch gelohnt, die Tortur. Und bis zum nächsten Jahr ist es noch lange hin!.

Viel Spaß bei der nächsten Prophylaxe!

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