Konrad Lang, 63, ist vergesslich geworden…so weit, dass er eines Tages statt des Kaminholzes in der Villa auf Korfu, die er im Auftrag der Besitzerin betreut, das daneben aufgeschichtete Holz anzündet. Eigentlich bewohnt er ein kleines Pförtnerhaus oberhalb, aber wegen der Kälte will er in der Villa übernachten, obwohl ihm dies verboten ist. Konrad ist nicht nur vergesslich, er sagt auch dem Alkohol zu. Er macht sich an diesem Abend in seiner kleinen Küche noch etwas zu essen, nimmt auch noch Alkoholisches mit. Als er zurückkehrt, steht die Villa bereits in Flammen.
Im Folgenden wechseln sich Gegenwart und Rückblicke in die Vergangenheit miteinander ab. Immer wieder werden kleine Informationen gestreut, die nach und nach ein Bild ergeben.
Konrad steht offensichtlich unter dem merkwürdigen Schutz der Besitzerin der abgebrannten Villa, Elvira Senn. Sie war als 19jährige nach dem Tod seiner Frau in das Haus des Industriellen Wilhelm Koch zur Betreuung seines damals dreijährigen Sohnes Thomas gekommen. Schnell heiraten die beiden. Nach Wilhelms’ frühem Tod heiratet Elvira den Direktor der Koch-Werke, Edgar Senn, der 1965 ebenfalls verstirbt. Elvira übernimmt die Geschäfte und führt das Unternehmen erfolgreich.
Konrad ist das uneheliche Kind des Dienstmädchens Anna, das sich nach Wilhelms‘ Tod um Elvira kümmert. Elvira, Anna und die Kinder reisen bis kurz vor Kriegsbeginn viel in der Welt herum. Während einer Reise nach London verliebt sich Anna in einen deutschen Diplomaten, dem sie die Existenz von Konrad verschweigt. Vielmehr lädt sie Konrad bei einem Bauern im Emmental ab. Konrad ist damals 6 Jahre. Als 5 Jahre später kein Geld mehr fließt, bringt der Bauer Konrad zu Elvira, die ihn auf Bitten von Thomas widerwillig aufnimmt. Konrad selbst sagt, dass er und Thomas von da an wie Brüder aufwachsen. Als Thomas wegen schlechter Leistungen in ein Internat geschickt wird, in dem die zukünftige Elite ausgebildet wird, verlangt Thomas, dass Konrad mitkommt. Während Thomas Konrad gegenüber loyal ist, wenn sie allein sind, behandelt er ihn in Gegenwart der anderen reichen Schüler abschätzig als den Sohn einer ehemaligen Hausangestellten. Konrad wird gedemütigt, hat aber nicht die Kraft, sich zu wehren.
Er hat ein großes Talent zum Klavierspielen, aber auch diesen Traum kann er nicht verwirklichen, weil beim Spiel eine Hand immer wie eine „Marionette“ der anderen folgte.
Thomas spannt ihm auch noch seine erste Liebe Elisabeth aus und heiratet sie. Die Ehe scheitert.
Nach vielen Jahren überträgt Elvira formal die Firmenleitung an ihren nun 53jährigen Sohn, zieht aber im Hintergrund weiter die Fäden. Sie hält Thomas aus „charakterlichen“ Gründen nicht geeignet und plant, dessen Sohn Urs die Geschäfte zu übertragen, sobald dieser soweit ist.
Nach dem Brand muss Konrad Korfu verlassen. Elvira finanziert ihm seinen Lebensunterhalt in einer kleinen Wohnung in der Schweiz unweit ihres Wohnsitzes, der Villa Rhododendron. Sie hält ihn auf Abstand, lässt sich aber über seinen Gesundheitszustand informieren und scheint ihn loswerden zu wollen. Sie erhöht sogar sein monatliches Budget, damit er sich zu Tode trinken kann. Nach einer kurzen Liebesbeziehung mit Rosemarie, der geschiedenen Frau eines seiner damaligen Mitschüler im Internat, während der Konrad noch einmal auflebt, verfällt er zusehends, so dass er zunächst in einem Heim untergebracht wird. Da bekommt er Hilfe von Simone, der unglücklichen Ehefrau des ewig fremdgehenden Urs. Sie entdeckt in Konrad einen neuen Lebenssinn und setzt durch, dass er von nun an in dem ehemaligen Gästehaus der Villa Rhododendron mit aller notwendigen Betreuung leben kann. Konrad scheint immer mehr in das Vergessen zu sinken und Simone bringt es nicht mehr fertig, ihn zu besuchen, bis eine Schwester ihr eines Tages ein Bild von Konrad bringt, auf das er geschrieben hat: „Eigentlich wollte ich darüber noch schreiben“, d.h. es gibt da noch Dinge, an die sich Konrad erinnert, und die will Simone ans Tageslicht bringen.
Sie stiehlt Fotoalben aus den “Gemächern“ von Elvira, als diese auf Urlaub ist, und zeigt Konrad Fotos aus seiner Vergangenheit. Konrad erinnert sich anfangs noch genau an Reisen, die er zusammen mit Thomas und Elvira unternommen hat.
Zwischendurch immer wieder die zusehends nervöser werdende Elvira. Es muss irgendein schlimmes Geheimnis geben, von dem sie fürchtet, dass Konrad sich daran erinnert.
Es kommt bis zur Auflösung des Rätsels noch zu verschiedenen Verwicklungen und dramatischen Ereignissen, die hier aber nicht mehr verraten werden. Es bleibt spannend bis zum Schluss!
Suter verbindet in seinem Roman gekonnt die differenzierte Beschreibung der fortschreitenden Alzheimer-Krankheit von Konrad, die jeder unterschreiben kann, der schon mal mit Demenz oder Alzheimer zu tun hatte, und eine Kriminalgeschichte.
Ich persönlich habe zunächst gezögert, diesen Roman zu lesen, da ich – wie man/frau vielleicht schon vermutet hat – reale Erfahrungen mit Demenz und ihren Auswirkungen gemacht habe und nicht wusste, ob ich mir das „antun“ sollte. Aber durch den zeitlichen Abstand zu den eigenen Erfahrungen war es letztlich nicht mehr schwierig. Höchstens immer wieder zustimmendes Nicken bei der Beschreibung der Symptome. Im Fall von Konrad nimmt die Geschichte sogar noch einen letztlich versöhnlichen und hoffnungsvollen Verlauf.Und wie schön, dass Konrad einen Menschen – Simone – gefunden hat, oder besser gesagt, sie ihn, der sich um ihn kümmert, seine Partei ergreift. Das ist für mich eine der wichtigsten Lehren aus meinen persönlichen Erfahrungen: den Menschen in ihrer Not beizustehen.
Der Krimi dahinter ist nicht gleich erkennbar in seiner ganzen Tragweite und beschreibt ein Familiendrama aus Lug und Trug und schließlich sogar Mord.
Der 1997 erschienene erste Roman Suters begründete seinen Durchbruch. Er ist zugleich der erste Band aus der von Suter selbst so genannten „neurologischen Trilogie“ („Die dunkle Seite des Mondes“ und „Ein perfekter Freund“), in der er Identitätskrisen der Protagonisten beschreibt. Es gibt in dem vorliegenden Roman mehrere Aspekte einer Identitätskrise: Konrad’s Abhängigkeit von Thomas un Elvira, die bewusste Irreführung Elviras über Konrads Identität und schließlich der Verlust derselben durch die Krankheit.
Suters Romane (zugegeben, ich habe erst zwei gelesen) sind sicher keine leichte Kost im Sinne eines Unterhaltungsromans, aber sie bieten eingebettet in eine spannende Handlung tiefe Einblicke in die menschliche Psyche und mögliche Verirrungen.
lesenswert!