Gemütszustände

 

Manchmal kann ich nicht mehr

Manchmal will ich nicht mehr

Manchmal hilft nur noch Abschalten,

Kreuzworträtsel oder Traumschiff….

 

Jeden Morgen sehe ich ihn, sieht er mich

Der Obdachlose, der „sans abri“, der ohne Schutz

Da liegt auf einer Matte am Wegesrand mit seinem ganzen Hab und Gut

Und schaut nicht weg

sieht mir geradewegs in die Augen

Es ist Sommer und es ist warm,

aber was ist, wenn es kälter wird

Was wird er tun, wohin kann er gehen?

Und ich, ich fahre vorbei oder nehme einen anderen Weg,

weil ich es nicht ertrage, dieses Elend,

weil ich zu feige bin, um ihn anzusprechen

erdenke mir hundert Ausflüchte und Rechtfertigungen

für meine Hilflosigkeit ..

 

Blick in meinen Kleiderschrank

Da hängt sowieso viel zu viel

Das macht auch nicht glücklich, nicht mal mehr für einen Moment

Schaler Nachgeschmack jedes neuen Kaufs

Aus Frust

 

Und das Schwarz

Hat keinen Platz mehr da

Muss raus

Kann ich nicht sehen

Nicht mehr tragen

Kein Schwarz

Den Tod in die Ecke gestellt, zur Strafe

Dass er sich immer wieder einmischt in mein Leben

Hat nichts zu suchen in meinem Schrank

 

Mir ist nach Rot, nach Gelb, am liebsten Blau

Das harmoniert so schön mit meinen blauen Augen

Irgendwas Schönes muss es doch geben

 

Ich weiß nicht, ob ich das alles noch schaffe

Im Leben, bei der Arbeit

Die 59 stecken schon in allen Knochen

Jedes Quartal ein Rezept für nen Physiotherapeuten

Der mich mal quält und knetet bis aufs Blut

Das in den Kopf steigt und ihn fast zum Platzen bringt

Ein anderer, der sanft die Wirbel zurechtrückt

Und mir das Gefühl gibt, dass es ihm wichtig ist,

dass es mir gut geht

ob das stimmt?

 

Da ist ein Mensch, den ich so lange kenne

Den ich nicht sehen, nicht sprechen kann

Seine Tage sind gezählt und keinen darf ich bei ihm verbringen

Irgendwie versteh‘ ich’s

Aber es tut so weh

So weit weg

Und ihm und ihr nichts sagen zu dürfen

Was auch mir das Herz beschwert

Oder was ich an Liebe zu geben hätte

 

Nachts

Wenn die Gedanken erstmal anfangen zu kreisen

Alles zu spät

Kein Halten mehr

Keine Meditation, verdammt, jetzt fällt mir das Wort nicht ein für das

Was ich da vergeblich versuche….

Um meinen Kopf zu leeren und ihm ein bisschen Pause zu verschaffen

 

Bevor mich die Nachrichten des nächsten Tages wieder

Greifen

Syrien, Türkei, Ukraine, Flüchtlinge, Attentate, Opfer, Täter…..

Wir tun alles für die Sicherheit

Garantieren können wir sie nicht

 

Wir werden damit leben müssen, es wird nicht besser

Wie auch, bei der Unruhe auf der ganzen Welt

Und der Wut und dem Hass

Von Menschen, die vor kurzem noch friedlich zusammen gelebt haben

Warum lassen wir uns scharf machen

Wem dient das? Wer hat was davon?

Du, ich?

Da spielen wir doch nur anderen in die Hände

Nein schlimmer,

sie treiben uns in den Hass

um ihrer Macht willen

um nichts anderes geht es hier

und wir sind ihre Handlanger

wenn wir den Verführern glauben

und ihnen nachlaufen

 

Du und ich

Wir sind doch beide Menschen

Stammen beide vom Affen ab, ob uns das gefällt oder nicht

Sind durch Zufall hier oder dort geboren

Haben Pech oder Glück gehabt

Und jetzt wollen sich die, die Pech gehabt haben,

sich das Glück von den anderen zurückholen

die auch nichts dafür können

wo sie geboren sind

 

Und außerdem

Lass uns doch mal prüfen, wessen anderer Rasse Blut auch in dir, in mir fließt

 

Wer ist hier mehr wert als der andere?

Wer hat das Recht, über wen zu bestimmen?

 

Ich brauche jetzt gerade mal Licht

Sonne, Wärme

Innen und außen

 

Kleine Gesten,

die ich nicht vergessen werde

die mir mein Menschsein und dein Menschsein

vor Augen führen

und mich mit dir verbinden

 

Meine Nachbarin, gerade 94 geworden, die nach einem der kurzen Gespräche, die wir

Ab und an im Flur miteinander führen, zu mir sagt:

„Es hat mich gefreut, dass wir miteinander gesprochen haben“

 

Du ,Wegbegleiterin meines Mannes in seinen letzten schwerkranken Jahren,

mit der ich an seinem Sterbebett gesessen und diesen schweren Moment teilen durfte

 

Du, meine Studienkollegin, die zu mir kam, als mein Vater gestorben war.

 

Und du, meine liebe Freundin, als ich dich eines Tages anrief, hast gar nicht erst abgewartet, bis ich ausgesprochen hatte, dass etwas Schlimmes passiert war, und dich gleich auf den Weg zu mir gemacht.

 

Es ist Zeit, sich an diese Momente mit euch und mit vielen anderen Menschen zu erinnern, um mich daran festzuhalten….

 

Das ist Leben

Darauf kommt es an….

 

Es ist so einfach

Es ist so einfach

Warum ist es so schwer zu erkennen

Was zählt?

 

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