Nach so vielen Jahren Borkumurlaub habe ich es nun endlich geschafft (richtig bemüht hatte ich mich bis dato wahrscheinlich auch nicht), mich rechtzeitig für die einmal wöchentlich stattfindende Teezeremonie anzumelden. Bis 2014 hat sie oben im Alten Leuchtturm stattgefunden. Danach musste sie umziehen in das kleine „Türmerhäuschen“ unterhalb des Leuchtturms, das vormals den sogenannten Türmern und deren Familien vorbehalten war, die für die Funktionsfähigkeit des Leuchtfeuers verantwortlich waren…
Und damit sind wir schon mittendrin in der Geschichte des Alten Leuchtturms von Borkum.
Aber erstmal zurück zu unserem Nachmittag. Der Tisch ist nach ostfriesischer Manier gedeckt mit Stövchen und ostfriesischem Geschirr, ein bisschen Gebäck und einem Leuchtturm in der Mitte. Hätte das Ganze lieber mit den Menschen am Tisch aufgenommen, aber da gibt es ja das Recht auf das eigene Bild. Wie man sieht, ein urtümliches Wohnzimmer in Fachwerkmanier.
Der 1. Türmer Gottfried Sauer, der nun hereintritt, ist kein geborener Borkumer, das nur vorweg, aber das leistet dem, was nun folgt, keinen Abbruch…Im Gegenteil: wie er uns am Ende erklärt, wäre es schier unmöglich gewesen, dass uns ein Borkumer einen Vortrag in dieser Ausführlichkeit gehalten hätte.
Wie erwartet, werden wir in die traditionelle ostfriesische Art eingeführt, Ostfriesentee zu trinken. Während der einleitenden Worte zieht der Tee schon vor sich hin. Der Türmer erzählt uns, dass der Ostfriesen broken nicht bitter wird bei langem Ziehen, wie wir alle vermutet hätten. Warum, dass soll er euch selbst erzählen, wenn ihr doch so neugierig geworden seid und euch auf den Weg nach Borkum machen wollt.
So viel sei verraten: Zuerst den Kandiszucker (Kluntje) in die Tasse geben, dann den Tee aufgießen (es muss knacken) und anschließend mit einem typischen Sahnelöffelchen drei bis vier Tropfen Sahne am Rand gegen den Uhrzeigersinn in den Tee sinken lassen. Es bilden sich schöne Sahnewölkchen. Den Tee in drei Etappen trinken: erst den Tee , dann den Tee mit Sahne und zum Schluss den süßen Grund. So muss es sein, und : auf keinen Fall umrühren!
Für mich als Teetrinker ein Genuss. Im Groben kannte ich die „Regeln“ schon, aber jetzt bin ich Profi!
Wie fast immer in den letzten Tagen, habe ich auch heute eine kleine Begebenheit am Rande zu erzählen, wozu mir dann auch nichts mehr eingefallen ist, obwohl ich nun eigentlich kein Prinzipienreiter bin und das Leben bier- oder teeernst nehme.
Als die Gäste hereinströmen, höre ich so nebenbei den Türmer sagen: Sie haben sich wohl gleich mit Proviant versorgt. Ich messe dem erstmal keine Bedeutung bei, bis…ja bis eine Frau, während der nette Herr Türmer uns in den Nachmittag einführt, aus einer Papiertüte Kuchen hervorzieht und ihn völlig unbedarft verzehrt. Man stelle sich die Situation vor: Der Tisch ist schön gedeckt mit Teegeschirr und Teegebäck, das wir anschließend zum Tee genießen dürfen. Der Türmer möchte seinen Gästen das Teetrinken und auch sonst die Geschichte von Borkum nahe bringen. Und die Frau mampft seelenruhig ihren Kuchen und raschelt auch noch mit dem Papiertütchen. Ich kann nicht widerstehen, ihre einige böse Blicke zuzuwerfen, aber das scheint sie nicht weiter zu stören. Die Veranstaltung beginnt um 14:3o Uhr. Es wäre also durchaus Zeit gewesen, sich vorher zu verköstigen.
Ja gut, vielleicht findet ihr das pingelig. Nein, ich stehe hier und jetzt zu meiner Meinung, dass das schlichweg „ungehörig“ und respektlos gegenüber dem Türmer und den anderen Gästen ist. Respektlos ist das bessere Wort.
Nachdem der Tee serviert ist, und nach dem ersten Aufguss noch zwei weitere folgen, führt uns der Türmer ausführlich, ich sage ausführlich(st) in die Geschichte des Alten Leuchtturms ein. Er mischt noch nautische Erläuterungen unter, die ich nicht verstehe…
Kurzum, die Veranstaltung dauert 3 Stunden, von denen ich mir eine halbe wohl hätte schenken können, die allerdings für die männlichen Gäste wahrscheinlich umso interessanter war. Insgesamt ein aufschlussreicher Einblick in die Geschichte Borkums. Ihr könnt am besten selbst hinfahren oder auf
http://www.borkum-alter-leuchtturm.de/
die Geschichte in Kurzfassung nachlesen.
Was es mit der Schließung des Leuchtturms für die Öffentlichkeit auf sich hat, das will ich hier auch nicht verraten. Leider kann man sich jetzt auch nicht mehr da oben trauen lassen, wie es zuvor möglich war…
Damit habt ihr noch ein weiteres Stück Borkumer Kultur und Lebensart kennengelernt, das ich euch ans Herz legen möchte! Und, um den Ostfriesentee richtig genießen zu können, fährt man wirklich am besten hin!