Heute ist Sonntag. Das Wetter ist trübe bis regnerisch. Also, was fange ich an. Es steht nichts Besonderes auf dem Programm. Am Frühstückstisch tut sich unerwartet eine Perspektive auf. Nachdem sich aus den allmorgendlichen Plaudereien bisher nichts in punkto näherem Kennenlernen ergeben hat, fragt die Frau aus Düsseldorf, ob jemand Lust hätte, heute mit in den Gottesdienst in der reformierten Kirche gehen möchte. Die Frau aus Wiesbaden, nach den bisherigen Äußerungen kulturell interssiert, bejaht die Frage und fragt ihrerseits noch einmal nach, ob noch jemand mitkommen möchte. Da ich nichts weiter vorhabe, schließe ich mich den beiden an, zumal ich die reformierte Kirche auch noch nicht kenne.
Man fühlt sich fast wie im Innern eines Schiffs mit der schrägen Holzkonstruktion des Daches und dem Segelschiff im Altarraum. Klar, Borkum war ja auch zuallererst mit Fischern und Walfängern besiedelt, die des göttlichen Schutzes mehr als bedurften.
Die Pastorin greift das Bild eines Jungen auf, das auch ich vor einigen Tagen in den Nachrichten über den Bildschirm habe flimmern sehen, und das mich bis zu Tränen (ge-) berührt hat. Der Junge war gerade noch aus einem zusammenstürzenden Haus in Aleppo gerettet worden, wie er da staubbedeckt und mit einem ungläubigen Blick, nicht verstehend, was passiert ist und das er noch lebt, in die Kamera schaut.
Die Pastorin appelliert an unsere Solidarität, an unsere Mitmenschlichkeit angesichts des sich dort gerade abspielenden Horrors auf. Wir sind schon so abgestumpft, aber auch hilflos…Aber wir müssen uns diese Bilder anschauen, wir dürfen nicht wegschauen.
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Nach dem Gottesdienst gehen wir noch zusammen in ein kleines, aber feines Kaffee am Alten Leuchtturm einen Tee trinken. Sehr gemütlich und gleichzeitig modern eingerichtet, nachdem dort früher jahrelang ein Fischimbiss gewesen war. Leider habe ich den Namen vergessen, was für einen Reiseführer natürlich unverzeihlich ist, aber ihr werdet schon hinfinden, wenn es soweit ist. Das Café sieht von außen etwas unscheinbar aus, ist aber wie gesagt sehr nett und es gibt leckere Kleinigkeiten und selbstgemachten Kuchen zu essen, den man auch draußen genießen kann. Wir kommen ins Plaudern über Gott und die Welt und das Eis scheint nach der Abtastphase gebrochen. Leider ist mein Urlaub nun schon fast zu Ende.
Nachdem ich den verregneten Nachmittag in meinem Pensionszimmer verbracht habe, schwinge ich mich gegen abend wieder auf mein Fahrrad. Der Himmel klart auf und los gehts, zunächst wieder zum Kaffee Seeblick, wo ich die wärmende Sonne von außen und den heißen Milchkaffee von innen genieße. Dann weiter durch die Waterdelle, den Waldlehrpfad und dann irgenwie und irgendwann in der Süderstraße angekommen. Dort kehre ich in das „Teehaus“ ein, dem ich meistens einmal im Urlaub einen Besuch abstatte, denn das Essen ist gut dort, wenn auch nicht gerade günstig.Heute habe ich wieder einmal Glück, denn ich bekomme noch einen Tisch, während die nächsten Anwärter auf einen freien Platz mit dem Hinweis auf eine fehlende Reservierung abgewiesen werden.
Auch mit diesem Ort verbindet sich eine ganz besondere Erinnerung, denn wir (mein damaliger noch ganz frischer Freund und späterer Mann) gingen 1974 (!) just an dem Tag dort essen, als sich Holland und Deutschland im Weltmeisterschaftsendspiel gegenüber standen und „wir“ mit 2:1 gewannen. Da war was los, denn zu der Zeit leiteten Holländer das Restaurant.
So habe ich aus diesem regnerischen Tag noch das Beste gemacht.