Mein Partner – der liebenswerte Idiot

Ziemlich provokant, diese Aussage – auf den ersten Blick!

Dieser Ausdruck stammt nicht von mir, sondern von dem (mir bisher un-) bekannten Philosophen Alain de Botton, der viele seiner Bücher dem Thema „Liebe“ gewidmet hat. Zu hören in einem Interview auf 3Sat am vergangenen Sonntag in „Sternstunden der Philosophie“ zum Thema, wie die Liebe im Alltag überleben kann.

Anmerkung: Im folgenden spreche ich immer von dem Partner – aus Einfachheitsgründen – die weibliche Form denke ich dabei immer mit, denn alles bezieht sich natürlich auf beide Geschlechter.

Einige der Thesen von de Botton:

Die Liebe ist nichts Mysteriöses, das uns rein zufällig zustößt.

Wir verlieben uns aus logischen Gründen. Gründe, die bisweilen abstrus oder unverständlich erscheinen, aber es sind eben logische Gründe, wie z.B., dass uns jemand an unsere Mutter/unseren Vater erinnert, oder an eine andere Person aus unserer Kindheit, die wir geschätzt haben. Logisch möchte ich das vielleicht nicht nennen, zumal uns diese Gründe oft oder meist nicht bewusst sind, also einer inneren, vorbewussten Logik folgen und damit auch nicht steuerbar sind. Bottons Schlussfolgerung aus dieser Annahme ist, dass die Liebe auch „logisch“, d.h. rational betrachtet und entwickelt werden kann.

Der Partner kann unsere Gedanken nicht lesen.

Wir wünschen uns, dass unser Partner intuitiv erfasst, wie es uns geht, dass er in uns hineinschauen kann und daraus die richtigen Schlüsse bzw. Handlungen ableitet. Aber wie soll das gehen? Wir sind alle schlichtweg nicht in der Lage, Gedanken zu lesen. Wir sind darauf angewiesen, miteinander zu kommunizieren.

Hinter jeder Stärke steckt eine Schwäche und umgekehrt.

Wenn wir uns in jemanden verlieben, sind wir zunächst geblendet von seinen Stärken. Im Regelfall suchen wir uns jemanden aus, der etwas verkörpert, das uns vermeintlich fehlt, das wir bei ihm bewundern. Unser Gegenüber erscheint uns vielleicht unkonventionell und kreativ, wir fühlen uns dagegen zu konformistisch, zu ordungsversessen. Nun tragen die vermeintlichen Stärken aber (immer) auch Schwächen in sich. Der Kreative lässt seine Sachen überall herumfliegen, kann sich an keine Abmachungen halten. Der Ordnungsliebende treibt seinen Sauberkeitsfimmel bis ins Extrem, ist immer überpünktlich….

Liebe und Sex erlöschen meist aufgrund von „Kleinigkeiten“.

Es sind meist nicht die großen Probleme, die Liebe und  Leidenschaft ersterben lassen, sondern die kleinen Dinge des Lebens, die oft als unwichtig abgetanen kleinen Zwistigkeiten oder Eigenschaften des Partners. Immer wieder gern genanntes Beispiel die offen gelassene Zahnpastatube oder die herumfliegenden Socken.

Wir können nicht alles haben!

Leben ist Glück, und Leben ist Leid. Wir können nicht alles haben: eine liebevolle, stabile Liebesbeziehung und ein ausschweifendes (außereheliches) Leben zugleich. Dafür ist der Mensch nicht geschaffen. Er ist in der Liebe am verletzlichsten, er ist eifersüchtig und fürchtet sich vor dem Verlust. Also müssen wir uns entscheiden, aber egal, wie wir uns entscheiden, der eingeschlagene Weg bringt auch immer Leid mit sich.

Wie also können wir unsere Liebe trotzdem erhalten?

  1. Wir müssen miteinander reden. Immer und immer wieder.Das kenne ich aus eigener Erfahrung nur zu gut, und die meisten von euch sicherlich auch: Es gibt einen Konflikt – typisch: er oder sie kommt mal wieder zu spät zu einer Verabredung. Es kocht in mir, aber ich scheue mich, ihr/ihm zu sagen, dass mich das verletzt. Er müsste das von selbst erkennen. Innerlich brodelt es in mir und ich kann den Abend nicht mehr genießen und auf Sex habe ich sowieso keine Lust mehr. Nicht die Liebe oder die Leidenschaft sind verschwunden, aber sie sind vergraben unter den vielen kleinen, nicht besprochenen Konflikten. Habe gerade so eine Situation – allerdings mit einer Freundin – erlebt: Wir sitzen im Kino. Der Film hat gerade begonnnen und da höre ich mein Handy klingeln. Nicht sehr laut, aber ich muss es natürlich schnellstens ausschalten. Dazu muss ich es aus der Tasche holen, um die Tastatur zu erkennen. Es dauert ein bisschen. Mir wird schon ganz heiß. Plötzlich fährt meine Freundin mit ihrer Hand über mein Handy. Ich habe zwar ein schlechtes Gewissen, aber schließlich wollte ich das Handy ja ausschalten. Ich empfinde das als einen Eingriff in meine „Souveränität“ als erwachsener Mensch. Das lässt mich den ganzen Film nicht los. Früher hätte ich die Sache wahrscheinlich auf sich beruhen lassen, um einem eventuellen Konflikt aus dem Wege zu gehen. So habe ich sie daraufhin angesprochen, und sie hat mir erklärt, dass es ihr keinewegs darum ging, mich zu maßregeln, sondern dass das Display sie extrem geblendet hat. So war die Angelegenheit sofort aus der Welt geschafft und wir hatten noch einen sehr schönen Abend. So kann es gehen, auch wenn Mut dazu gehört.
  2. Wir müssen bereit sein, von den Stärken des anderen zu lernen und den anderen als Lehrer anzunehmen. Das dürfte die schwerste Hürde sein, denn gemeinhin wird gesagt, mein Partner muss mich so nehmen, wie ich bin. Aber das gelingt in den wenigsten Fällen, wenn wir ehrlich sind. Je länger man sich kennt, desto mehr werden die zunächst als Stärken empfundenen Eigenschaften des Partners in unseren Augen zu Schwächen. Und da kommen wir zurück zu dem provozierenden Titel – Mein Partner, der liebevolle Idiot. Wir halten unseren Partner – überspitzt ausgedrückt – manchmal für einen Idioten. Aber wenn wir ihn als liebenswerten Idioten erkennen, das heißt in erster Linie, seine von uns als Schwächen empfundenen Eigenschaften mit Humor zu nehmen, dann ist das schon mal eine gute Voraussetzung für die Erhaltung der Liebe. Gleichzeitig sollten wir den Blick wieder auf die Stärken unseres Partners richten.Und noch ein toller Satz von de Botton: Wir sollten dem anderen helfen, das Beste von sich selbst zu werden! Das heißt eben nicht, so zu bleiben wie man ist, sondern immer auch nach Weiterentwicklung streben.
  3. Nachdenken kann nichts schaden! Also natürlich, ohne nachdenken vor allem über sich selbst, seine Beweggründe, seine Handlungsweisen geht es nicht. Sich auch in den anderen hineinversetzen und ihn mit den nachgiebigen Augen der Mutter oder des Vaters für ihr Kind betrachten. Das hört sich vielleicht merkwürdig an, aber da ist etwas dran. Wir sind mit unseren Kindern normalerweise nachsichtiger als mit unseren Partnern, weil wir wissen, dass sie noch Kinder sind und noch nicht über das Urteilsvermögen eines Erwachsenen verfügen. Aber in vielerlei Hinsicht bleiben wir auch als Erwachsene wie Kinder, vor allem in emotionalen Dingen, und man sollte uns mit Nachsicht begegnen und immer auch darüber nachdenken, was unser Gegenüber zu diesem oder jenem Verhalten bewogen haben könnte.

Und wo bleibt da die Romantik? De Botton meint, dass das, was wir vermeintlich für unromantisch halten wie z. B. miteinander essen gehen und miteinander reden,  vielleicht viel romantischer sein kann als das, was wir sonst dafür halten.

Und noch etwas: Manche philosophieren darüber, wie es wäre, wenn es eine „Liebespille“ gäbe, ob man damit nicht ganz einfach die Liebe entfachen oder wiedererwecken könnte. Das wird wohl nicht klappen. Wie de Botton richtig sagt: wir hätten doch immer das Gefühl oder den Verdacht, dass uns unser Partner nicht um unser selbst willen liebt, sondern wegen dieser Pille.

Wer sich den Beitrag nach meiner Zusammenfassung in Gänze anschauen möchte:

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