Schlagwort-Archive: Sehnenriss

Vom Tal der Tränen zu vorsichtigem Optimismus

2016-11-12-16-41-13

Das kennzeichnet grob die Tage seit meiner Entlassung aus dem Krankenhaus. Ich war mit der Behandlung im Krankenhaus zufrieden, das will ich an dieser Stelle betonen. Sowohl die ärztliche, pflegerische als auch ernährungstechnische Versorgung war in Ordnung. Ein/zwei Ausfälle gibt es überall, also auch im Krankenhaus, wo man sich fragt, warum der- oder diejenige den Beruf ergriffen hat….

Zurück zu Hause begann ein auf und ab der Gefühle und Ereignisse. Der 1. Verbandswechsel beim zuständigen Orthopäden fiel positiv aus. Das 2. Mal geriet zur Tortur, da mein Kreislauf wie schon im Krankenhaus auf halbem Weg, genau gesagt von der 2. Etage im Erdgeschoss angekommen, den Dienst versagte und mich zur Umkehr zwang. So hockte ich da wie ein Häufchen Elend und wusste nicht, wie ich den Weg nach oben  bewerkstelligen sollte. Nach unten ging es gerade noch mit beiden Krücken in einer Hand, wie ich es gelernt hatte und dann Stufe für Stufe herunter gehoppelt. Aber auch diese Anstrengung war schon zu viel.

Da sind wir nun bei den verschiedenen Möglichkeiten der Fortbewegung angelangt, die ich im Laufe der Zeit entwickelt habe:

Treppe runter habe ich beschrieben. Treppe rauf, lt Physiotherapeut genauso zu bewerkstelligen wie runter, d.h. jeweils mit dem „gesunden“ Bein hoch hüpfen, war/ist für mich unmöglich. Für jüngere Menschen mag das gehen, bei mir nicht. Alternativlose Alternative: im dreibeinigen Krebsgang – so nannten wir das früher im Sportunterricht – rückwärts die Treppe hochkrebsen. Könnt ihr euch das vorstellen? Rückwärts auf die Treppe setzen, mit den Händen eine Stufe höher abdrücken und mit dem „Standbein“ nach oben schieben. Dabei noch die beiden Krücken irgendwie mitschlören. Und das bis in die zweite Etage. Das blieb auch meinen Nachbarn nicht verborgen und ich erntete ihr ungeteiltes Mitleid!

Nun, eine weitere Fortbewegungsform, die ich dann in der Wohnung praktizierte, wäre vielleicht auch noch eine andere Möglichkeit, würde aber die Anschaffung von Knieschonern erfordern: auf allen Vieren/Dreien vorwärts hinaufkrabbeln. Wie gesagt, nur mit Knieschutz.

Einschub: An dem betreffenden Tag trainierte ich aus den Erfahrungen im Krankenhaus heraus das Laufen auf den Krücken und gelangte mit letzter Kraft zum Arzt. Da ich zuvor angerufen und mitgeteilt hatte, dass mein erster Anlauf auf Grund einer Kreislaufschwäche fehlgeschlagen war, musste ich nicht allzu lange warten…Das Ergebnis war erstmal beunruhigend: Der Fuß war stark angeschwollen und die Haut an der Naht nässte an einer Stelle. Der Arzt verschrieb vorsichtshalber Antibiotika. Ich will es kurz machen: ich nahm sie nicht und ließ mich homöopathisch behandeln (ich hatte die Antibiotika aber zu Hause und hätte sie auch sofort eingenommen, wenn mein Zustand sich verschlechtert hätte; es stellte sich glücklicherweise ein paar Tage später heraus, dass ich auch keine Entzündung im Blut hatte). Eine weitere Folge war allerdings, dass die Fäden nicht wie vorgesehen gezogen werden konnten.

An diesem Tag war mir zum ersten Mal so richtig zum Heulen, während ich es bis dahin immer noch geschafft hatte, die Situation mit Humor zu nehmen. Das Gefühl, keine Kontrolle mehr über seinen Körper zu haben und die Segel streichen zu müssen, hat mich umgehauen.

Daneben perfektionierte ich kontinuierlich meine Techniken zur Alltagsbewältigung: Meistens – vor allem nachts – rutschte ich auf Knien auf einem gut gepolsterten Kissen zur Toilette. Tagsüber dann besser auf Krücken, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Wenn ich Sachen transportieren musste, wieder auf die Knie und die entsprechenden Gegenstände – den Tee oder das Frühstück vor mir her geschoben (letzter Einfall: die Gegenstände auf eine Zeitschrift stellen und schieben. Das Ganze funktioniert natürlich nur auf einem glatten Untergrund. Bessere Lösung: ein (Büro-) stuhl mit Rollen! Ein diesbezüglicher Versuch scheiterte bei mir, weil die Rollen für Laminat offensichtlich nicht geeignet sind. Als letzte Alternative dachte ich darüber nach, wie ich mich als Rollmops durch die Wohnung rollen könnte. Dazu ist es bis jetzt noch nicht gekommen.

Mein Sohn  konnte sich neben dem vordergründig geäußerten Mitleid für meine Situation regelmäßig das Lachen nicht verkneifen, wenn ich an seinem Zimmer vorbeirutschte, gänzlich brach er jedoch vor Lachen zusammen, als ich an einem dieser Tage auf allen Vieren angerutscht kam, meine „Tablett“ vor mir her schob und einen kleinen Rucksack auf dem Rücken trug, den ich an seinen angestammten Platz  an der Garderobe zurückbringen wollte. So eine Gemeinheit!

Daneben musste der Verband mehrmals täglich neu gewickelt und der Fuß gekühlt werden. Seit 2 Tagen ist die Wunde geheilt und auch mit Hilfe von Lymphdrainage geht die Schwellung nach und nach zurück…

Diejenigen von euch, die so etwas selbst schon  erlebt haben, werden nachfühlen können, wie es einem so geht. Die anderen haben vielleicht Anregungen bekommen, wie man sich durchschlagen kann, wenn man sich in einer ähnlichen Situation befindet.

Geduld und Erfindungsreichtum sind gefragt. Operationen sind keine Spaziergang, Entzündungen eine ernstzunehmende Angelegenheit.

2016-11-06-17-09-37

Eine gute Portion Humor hilft!!!!

Auf der Krankenstation – Teil 2

Tag 2 – 5 im Krankenhaus. Gemäß Fallpauschale sind für einen Eingriff wie den meinigen 4- 5 Tage angesetzt, die ich dann auch in Gänze ausschöpfte, heißt Vollpension, Rundumpflege und Blick ins Grüne. Ja tatsächlich, im Vergleich zu dem, was dann kam, waren diese Tage fast angenehm. Nun, abgesehen von dramatischen nächtlichen notdürftigen Ausflügen auf die Toilette (bis zu 7 an  der Zahl)  meinerseits, zurückzuführen auf ich weiß nicht was, jedenfalls jedesmal ein Abenteuer, sich mit nur einem Standbein (das Spielbein durfte – wie der Name schon sagt – nur spielen und keine tragende Rolle übernehmen) vom Bett in den Rollstuhl hieven, mit dem nun angewinkelten Standbein/ Winkelbein langsam vorwärts rollend bis zur Toilettentür – was sich hinter dieser Tür abgespielt hat, bleibt auch hinter dieser verschlossenen Tür – dann den ganzen Weg wieder zurück bis ins Bett, völlig ermattet. Ich muss gestehen, zwei Tage lang bediente ich mich des Bettgestells meiner Nachbarin, um mich daran entlang zu ziehen bis zur Toilette, bis sie mich – sie bemühte sich, höflich und gelassen zu sprechen, während es in ihr vermutlich brodelte – aufforderte, dies doch zu unterlassen, da sie jedesmal aus Angst vor einem beginnenden Erdbeben erwachte und nicht wieder in den Schlaf zurückfand. Ich war sofort einsichtig (tief in mir hatte ich schon eine Ahnung gehabt, dass mein Verhalten fehl am Platze war, muss die Bedenken aber ob der schnelleren Fortbewegung verdrängt haben) und baute die weiteren vorhandenen Möbel im Zimmer so um, dass sie mir als Ersatz für das Bettgestell dienten. P. hingegen pochte darauf, dass ein Fenster während des ganzen Tages und wenn möglich auch noch des nachts geöffnet blieb. Durch mein eigenes egoistisches Verhalten in die Zwickmühle geraten, erklärte ich mich damit einverstanden, das Fenster am Tage geöffnet zu lassen. Ich fand, dies war ein angemessener Ausgleich für meine nächtliche Ruhestörung, immerhin befinden wir uns schon im November…

Am 4. Tag wurden P. und ich auf die Entlassung vorbereitet durch einbeiniges Treppensteigen. Auf Krücken natürlich, aber Krücke ist nun mal Krücke und kein Bein, und eine alte Frau ist kein D-Zug mehr. Also verabschiedete sich mein Kreislauf kurzerhand und die ganze Aktion musste abgebrochen werden. Da ich ja am nächsten Tag in die Freiheit entlassen werden sollte, biss ich die Zähne zusammen und lief im Zimmer mehre Male hin und her… bis der Physiotherapeut es nochmal mit mir versuchte. Runter ging, rauf gar nicht. Dazu später mehr.

Der Physiotherapeut, ein junger Türke, kam „hemdsärmelig“ daher. P duzte er sofort – ja gut, sie ist ja auch ca 20 Jahre jünger als ich. Ich nahm es ihm nach einem Blick in den Spiegel nicht übel. Jedenfalls fuhr er mich nachmittags mit dem Rollstuhl bis zum Treppenabsatz, damit ich nicht soweit laufen musste und machte mich darauf aufmerksam, dass im Fußboden eine unebene Stelle sei (jemand hatte sie sehr unkoventionell mit einigen farbigen Strichen gekennzeichnet) und man vorsichtig darüber fahren müsste. Auf der ziemlich rasanten Rückfahrt hatte er seinen eigenen Hinweis wohl vergessen, der Rollstuhl stoppte abrupt an eben jener Stelle und ich entging so gerade eben noch einem salto mortale…Nochmal davon gekommen.

Tag 5: Frühstück, Visite, Packen…..Auschecken (nicht zu vergessen: heute traute ich mich, Pfleger H. zu fragen, ob er mir bei der Haarwäsche helfen könne. Kurze Zeit später kam er wieder…Er fragte noch, ob ich auch eine Dauerwelle wünschte, was ich gönnerhaft verneinte. War schön, sich diesen Moment verwöhnen zu lassen. Man gönnt sich ja sonst nichts.