Was soll ich zu den Wahlen sagen? Ach, eigentlich nicht viel. Was soll’s. Ähnliches war zu erwarten. Nein, ich will mich gar nicht an den ganzen Wahlanalysen beteiligen. Das macht jetzt gerade jeder und jede.
Vielleicht nur kurz ein Erklärungsansatz für den Zulauf der AfD vor allem in den neuen Bundesländern. Mir spontan einsichtig war die Feststellung, dass zumindest die ältere Generation im ehemaligen Osten beim Mauerfall schon einmal mit einer extremen Umwälzung konfrontiert wurde. Der anfänglichen Freude über die Wiedervereinigung folgte bald die Ernüchterung über die daraus resultierenden Veränderungen vor allem wirtschaftlicher Art. Das die Bevölkerung jetzt, nachdem sich die Verhältnisse einigermaßen beruhigt haben, aber längst noch nicht alle Probleme und Ungleicheiten beseitigt sind, mit Unmut und Angst auf den Zuzug von Flüchtlingen reagiert, kann ich zunächst einmal nachvollziehen, vor allem, weil die lokalen Entscheidungsträger wie auch die Bevölkerung nicht entsprechend in die Maßnahmen einbezogen worden sind, was im Übrigen auch für die alten Bundesländer zutrifft. Nun hört man, dass es gar nicht in erster Linie um wirtschaftliche Fragen geht, sondern um die Angst vor kultureller Überfremdung. Auch da ein gewisses Verständnis dafür, dass wir Westdeutschen schon wesentlich früher Kontakt mit anderen Nationalitäten hatten und uns daran gewöhnen könnten.
Keinerlei Verständnis habe ich allerdings für die Verrohung der Auseinandersetzung, die Verunglimpfung von Politikern oder gar Gewalt als Mittel der Wahl eingesetzt werden, um politische Verhältnisse zu verändern! Und wenn die AfD, wie sie jetzt behauptet, eine rechtsstaatliche, rechtskonservative Partei ist, dann müsste sie derlei Ausfälle und kriminelle Akte verurteilen. Das wäre das Mindeste! Solche Gedankengänge sind allerdings müssig, denn die AfD ist keine demokratische Partei, die die Verfasstheit unserer Republik anerkennt.
Für mich noch interessanter war die Analyse eines Politikwissenschaftlers, der sagte, dass die derzeitige Politik daran krankt, dass sie die entscheidenden Fragen ausblendet bzw. aus Angst, Stimmen zu verlieren, erstmal unter den Tisch kehrt: das Rentensystem, die Zukunft Europas, den Klimawandel, die Digitalisierung der Arbeitswelt. Auch das ist nicht wirklich neu, für mich aber schon die Feststellung, dass die Umwälzungen z. B. auf dem Arbeitsmarkt dramatisch sein werden. Die Politik kann verharren, bis sie da sind: Schätzungsweise wird ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung den Arbeitsplatz verlieren. Also was geschieht mit diesen Menschen, wenn sie sich nicht mehr über Arbeit definieren können? Das auf immer mehr Wachstum und Konsum ausgerichtete Gesellschaftssystem wird sich ändern müssen. Die maßlose Ausbeutung der Rohstoffe und Zerstörung der Lebensgrundlagen werden uns zu einem radikalen Umdenken zwingen. Wir bzw. unsere Volksvertreter müssen uns umgehend der Realität stellen und Konzepte entwickeln, wie die postkapitalistische Welt aussehen könnte. Wir kommen nicht drum herum.
Die Menschen spüren intuitiv, dass es so nicht weiter gehen kann, aber sie haben Angst…verständlicherweise, weil niemand weiß, was genau auf uns zukommt und vor allem, wie Alternativen aussehen könnten. Frau Merkel hat kürzlich in einem Interview gesagt, es sei jetzt keine Zeit für Experimente, was wir bräuchten, ist Stabilität. Frau Merkel ist eine intelligente Frau und wird wissen, dass wir nicht weiter machen können wie bisher, aber die Machterhaltung war ihr vermutlich näher, als der Bevölkerung zu sagen, dass wir uns auf radikale Veränderungen einstellen müssen. Ich persönlich meine, diese Veränderungen könnten sich für die Menschen durchaus positiv in einer besseren Umwelt und einem bewussteren Umgang mit unseren Resourcen auswirken. Aber das würde voraussetzen, dass es einen gesellschaftlichen Konsens darüber gäbe , dass wir unsere Lebensweise auf Kosten anderer und der Natur so nicht mehr aufrechterhalten können. Die von Merkel genannte Stabilität ist doch nur eine scheinbare auf Zeit, bis die Probleme irgendwann ungebremst über uns hereinbrechen werden wie die Flüchtlingswelle, die lange vorhergesagt und ausgeblendet wurde. Wir waren und sind doch daran beteiligt, dass z.B in Afrika die dortige Produktion von Geflügel oder Bekleidung aufgrund unserer billigen Exporte zerstört wird und den Menschen ihre Lebensgrundlagen nimmt.
Wieviel Sand wollen uns die Politiker noch in die Augen streuen?
Und Herr Gauland sagt doch allen Ernstes, dass wir uns unser Deutschland und unser Volk wieder zurückholen wollen. Welches Deutschland, von wann? Zurück wohin? Wo lebt der Mann eigentlich? Abenteuerlich. Ob die Menschen das glauben, oder glauben wollen?
Noch ein letzter Gedanke des Professors:
Die Demokratie ist kein Naturgesetz. Eine Demokratie lebt nur so lange, wie die Bürger, die in ihr leben, demokratisch sind! Wie wahr. Undemokratische Kräfte mobilisieren sich allenthalben auf der Welt, einschließlich Europa, und wenn die demokratischen Parteien es nicht schaffen, die wirklichen Probleme anzusprechen und glaubwürdig anzupacken, dann werden sich andere des Terrains bemächtigen und uns irgendwann vorschreiben, wohin die Reise geht. Na dann gut‘ Nacht.
Hört sich alles nicht so gut, nicht wahr? Ja, aber was soll das Verdrängen. Wir sind es auch und in erster Linie unseren Kindern schuldig, dass wir uns den Problemen stellen, die wir ja auch allesamt mitverursacht haben!
Hoffentlich heißt es in den Geschichtsbüchern nicht irgendwann einmal: Sie haben die Wahl gehabt, aber sie haben keine Wahl getroffen…