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Leben Geduldige besser und länger?

Im meiner LieblingsZEITung vom 4. Mai hat sich eine Autorin mit der Frage auseinandergesetzt, wer nun besser und länger lebt, der/die Ungeduldige oder der/die Geduldige. Sie verortet sich ganz klar auf der Seite der Ungeduldigen und wendet sich gegen die landläufige Meinung, dass geduldig sein eine positive Eigenschaft sei, dass sie mit Souveränität und Gelassenheit assoziiert werde und ein besseres Leben ermögliche.

Beim Lesen des Artikels habe ich mich gleich gefragt, wo ich mich einordnen würde, und habe, wie sooft, keine eindeutige Antwort gefunden.

Die Autorin nennt verschiedene Situationen, in denen sie ungeduldig ist und sich wünschte, diese Ungeduld auch ungeachtet ihre Erziehung zur Höflichkeit zum Ausdruck bringen zu können.

Wir kennen sie alle: die lange Warteschlange im Supermarkt an einem Freitagnachmittag. Ganz ehrlich: da bin ich auch nicht sonderlich geduldig, je nach dem, ob ich in Eile bin oder nicht. Aber meist schlagen alle Versuche, die Zeit durch Umschwenken zu einer anderen Kasse zu verkürzen, fehl, denn entweder gibt es auch dort Menschen, die ihre Waren nicht so schnell einpacken, oder ich habe übersehen, dass das Transportband links oder rechts neben mir viel voller ist als bei mir. Diebisch freue ich mich (muss ich mich dafür schämen?), wenn eine weitere Kasse geöffnet wird und es mir gelingt, mich dort als erste zu positionieren.

Ich füge eine weitere typische Situation hinzu, bei der ich den Eindruck habe, dass es hier fast nur Ungeduldige gibt: das Ein- und Aussteigen aus einem Bus. Ich weiß nicht so recht, woher es kommt, aber am Bus kommt es fast immer zu Rangeleien: die einen wollen möglichst schnell raus und die anderen rein. Nach meiner Erfahrung reagieren die Menschen fast nirgendwo so unglaublich ungeduldig wie hier. Ist es die Angst, entweder nicht mehr mitgenommen zu werden oder den Bus nicht rechtzeitig vor dem Wiederanfahren verlassen zu können? Oder ist es einfach nur die pure Ungeduld, die es nicht erträgt, dass andere mich in meiner Bewegung behindern. Ich kann mich nicht davon freisprechen, selbst ungeduldig zu reagieren aus oben genannten Gründen. Für mich ein Indiz dafür, dass in bestimmten Situationen all das, was uns als Kultur anerzogen worden ist, blitzschnell in Vergessenheit gerät, wenn es um die ureigensten Interessen aber auch Ängste geht.

Das kenne ich auch: ich sitze in einer Sitzung und der Vortrag ist so langweilig, dass ich mich am liebsten wegbeamen möchte, aber nicht kann. Ich werde ungeduldig, fange an,  auf meinem Block zu malen, bediene mich bei den Süßigkeiten auf dem Tisch…und habe Mühe, den Kopf hochzuhalten. Da reagiert mein Körper.

Wenn ich so schreibe, scheint meine persönliche Waage auch eher in Richtung ungeduldig auszupendeln.

Nein, es gibt auch Situationen, in denen ich geduldig bin. In Diskussionsrunden oder auch privaten Gesprächen ist es für mich wichtig, dass ich meinem Gegenüber zuhöre und umgekehrt. Das ich darauf achte, dass alle Beteiligten zu Wort kommen. Das Thema hatte ich schon öfter, wohl weil es mich beschäftigt und weil ich in solchen Situationen auch mal richtig ungehalten werden kann, insbesondere wenn jemand mir auch noch ins Wort fällt. Das ist ganz einfach respektlos.

Ich habe lange Jahre Erwachsene unterrichtet und da habe ich immer sehr viel Geduld gehabt, um ihnen etwas zu erklären.

Geduld hat immer etwas mit der jeweiligen Situation zu tun, in der ich mich befinde. Wahrscheinlich kennt ihr das auch: Ihr müsst kochen, aber eigentlich habt ihr keine Lust, weil der Tag schlecht gelaufen ist. Wird das was ? Wohl kaum. Wenn ich hingegen am Wochenende koche und mich nichts und niemand drängt, sieht das schon anders aus.

Ganz schlimm wird es bei mir hingegen, wenn ich ein neues technisches Gerät gekauft habe, und die Gebrauchsanweisung studieren muss. Ganz, ganz schlimm. Dazu habe ich einfach keine Lust, weil man sie meist sowieso nicht versteht und dann funktionierts auch noch nicht mal.

Ein Argument für die Vorteile ungeduldiger Mensch, das ich euch nicht vorenthalten will und das mir durchaus plausible erscheint, ist, dass ungeduldige Menschen schneller die Initiative ergreifen. Sie handeln schnell und vielleicht auch impulsiv. Manchmal kann das einfach notwendig sein, manchmal werden sich die so getroffenen Entscheidungen als falsch erweisen. Die Autorin, Sandra Danicke, nennt als Beispiel den Klimawandel: da haben wir keine Zeit mehr zu verlieren und das geduldige Abwarten, dass die Politiker die richtigen Entscheidungen treffen, könnte uns umbringen.

Wenn ich anfangs beim Lesen des ZEITartikels etwas die Stirn gerunzelt habe über die scharfzüngigen Äußerungen der Autorin über die angeblich Geduldigen, so bin ich mir im Laufe des Schreibens doch bewusst geworden, wie schnell ich selbst ungeduldig werde.

Was allerdings die Ausgangsfrage angeht, wer besser lebt, so kann sie nur jeder für sich persönlich beantworten. Jeder bringt seinen eigenen Charakter mit ins Leben und den kann man nur bedingt oder gar nicht ändern. Man kann sich alternative Handlungsweisen antrainieren, aber das, was man ursprünglich mitbringt, wird – so denke ich – doch immer sehr stark sein und im Zweifelsfall durchbrechen.

Es gibt Studien, denen zufolge ungeduldige Menschen früher sterben. Die Autorin sagt dazu: Was soll’s, dafür habe ich schneller und meinen Bedürfnissen entsprechend gelebt. Sicherlich gibt es oder wird es Studien geben, die das genaue Gegenteil behaupten.

Tatsache ist, dass jeder und jede mit sich selbst auskommen muss, geduldig oder ungeduldig. Wem es wie besser geht, ist eigentlich eine müßige Frage, denn der Ungeduldige wird sich vermutlich für glücklicher halten als der Geduldige und umgekehrt.

Wie ich nun selbst erkannt habe, gehöre ich auch nicht zu den geduldigsten Menschen, aber je älter ich werde, desto geduldiger muss ich mit mir selbst werden, mit meiner eigenen Langsamkeit. Und das sollte es mir erleichtern, auch mit anderen geduldiger zu sein.

Übrigens: an der Kasse im Supermarkt bin ich geduldiger geworden, und das erleichtert mir das Leben, denn ich ärgere mich weniger!

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Was kann Literatur in diesen Zeiten bewirken?

Diese Frage kommt immer mal wieder auf. Eine Antwort darauf ist schwierig und kann wahrscheinlich auch nur individuell beantwortet werden.

Der israelische Schriftsteller David Grossman (Jahrgang 1954) hat in einem Artikel in der Zeit vom 09. März 2017 eine Antwort darauf versucht. Ich will seine interessanten Gedankengänge kurz skizzieren, sofern mir das gelingt und mir dann noch meine eigenen Gedanken dazu machen. Letztlich ruft er genau dazu auf.

Grossman schildert den aktuellen Zustand der Welt im „postfaktischen“ Zeitalter insbesondere nach der Amtsübernahme von Donald Trump, für den es (nach einem Zitat von George Orwell und so kundgetan von Trump-Beraterin Kellyanne Conway) Fakten gibt und alternative Fakten, der keine eindeutige Wahrheit anerkennt (z.B. Klimawandel) und den sein Geschwätz von gestern schon lange nicht mehr interessiert. Die Menschen sind zutiefst verunsichert, es fehlt ihnen (uns) das Gefühl von Verlässlickeit,  der Möglichkeit,  die Wirklichkeit mit den ihnen bislang zur Verfügung stehenden Mitteln zu entschlüsseln. Sie haben Angst vor der Zukunft, weil sie die Gegenwart nicht mehr verstehen, weil sie keine Maßstäbe mehr haben für das, was wahr ist. Grossman schreibt, dass Donald Trump Kräfte freisetzt, die demokratische Systeme seit Jahrhunderten durch Gewaltenteilung und einem bis dato breit anerkannten Wertesystem von Freiheit, Gleichheit und Pluralismus einzudämmen versucht haben.

Wo gibt es noch verlässliche Gewissheiten?

Laut Grossman findet der Mensch letzte Gewissheiten in der großen Literatur, die uns  mit allem in Berührung bringt, was das menschliche Dasein umfasst, „das Wunder, das ganze Glück und das ganze Grauen, die Einsamkeit, die Zugehörigkeit und das Erbarmen, die dem menschlichen Dasein innewohnen“. In dem wir uns so in unserer Seele berühren lassen, spüren wir intuitiv, was Wahrheit ist und können uns der massenhaften Manipulation entziehen und uns ihr entgegen stellen.

Stalin soll gesagt haben „Ein Tod ist eine Tragödie, Millionen Tode sind Statistik“. Ein brutaler Satz, der darum nicht weniger wahr ist, wenn wir an die Entwicklung der Flüchtlingskrise denken. Wir nehmen das tausenfache Sterben inzwischen als Statistik hin.

Grossmann meint, Literatur kann uns Anleitung geben, wie wir „die Tragödie unserer Existenz als Einzelne vor Stalins verächtlicher Statistik retten“: Er meint, dass der beim Lesen entstehende Wunsch, das Innen- und Seelenleben der Protagonisten mit seinen Werten, Ängsten, Brutalitäten und Momenten der Größe kennenzulernen, politisches Bewusstsein weckt, ohne das keine Wendung zum Guten möglich ist. Er postuliert, dass das massenhafte Sterben nur dann zur Statistik wird, wenn Einzelwesen einen  Gutteil ihres Lebens und Denkens dem Maßstab der Masse unterwerfen. Sonst hält er eine derartige Gleichgültigkeit gegenüber der Tragödie für unmöglich.

Und wie wird der Einzelne Bestandteil einer Masse? Indem er es aufgibt, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, sein Dasein eigenverantwortlich zu definieren.

Vor einer solchen Definition seiner selbst kann er nicht fliehen und er kann sie auch nicht ignorieren.

Literatur hilft ihm dabei, „sein Wesen auf individuelle Weise auszubuchstabieren“, sich selbst durch die Kraft der Literatur zu erkennen und sich gleichzeitig als Teil des Ganzen zu begreifen.

Für mich hochphilosophische Gedankengänge, die ich versuche, auf meine Erfahrungen herunter zu brechen. Literatur kann mich zutiefst bewegen, zu tiefster Betroffenheit und höchstem Glück. Sie bringt mich mir selbst näher, indem ich mich in den Protagonisten meiner Bücher erkenne oder eben auch nicht. Auch wenn ich den Inhalt der meisten Bücher nach der Lektüre meist wieder schnell vergesse, so glaube ich doch, dass sie tief in mir Spuren hinterlassen.

Ich gestehe zu, dass Bücher einen Einfluss auf mich und meine Selbsterkenntnis haben, ob das allerdings reicht, mich und vor allem mein (politisches) Verhalten zu verändern, da bin ich nicht so sicher. Bücher bereichern mein Innenleben, erweitern meine Sicht auf die Welt, das Verständnis für die Welt. Ich bin für jedes gute Buch dankbar, dafür, dass ich die Gelegenheit und Fähigkeit habe, es zu lesen, dass es mich bewegt, dass es mich über meinen Horizont herauszuheben vermag. Was für eine große stille Freude, wenn ich in einem Buch versinke und nicht eher Ruhe gebe, als bis ich es zu Ende gelesen habe!

Aber was ändert das an der gesellschaftlichen Realität? Was mir zu denken gegeben hat, ist vor allem die Stelle, an der Grossman sagt, dass ich vor dem, wie ich mich auch über die Literatur selbst definiere und nicht irgendwelche andere, nicht weglaufen kann, d.h., wenn ich dem zuwider handle, was ich eigentlich als für mich zueigen definiert habe (sagen wir z.B. Mitgefühl), dann werde ich meines Lebens nicht mehr froh. Dann bin ich nicht mehr authentisch.

Wer sagt aber, über welche Werte sich der Mensch identifiziert. Grossman setzt offensichtlich voraus, dass der Mensch im tiefsten Innern gut ist.

Zurück zu der Ausgangsfrage, was Literatur bewirken kann. Grossman sagt: sehr wenig und sehr viel, wenn man darauf schaut, wie tiefgreifend ein Herr Trump oder Erdogan oder Putin die Welt durch ihre Aktionen auf den Kopf stellen können, und sehr viel, wenn der Geist der Literatur die Menschen an das „Substrat menschlichen Verständnisses, menschlicher Intuition und menschlicher Erfahrung rührt“.

in diesem Sinne wünsche ich mir und euch viele gute Bücher

Ich kann dich einfach nicht riechen…..

Inspiriert wie so oft durch einen Artikel in der …..klar… Zeit, bin ich dieses Mal meinen eigenen Gedanken – ja, die mache ich mir natürlich auch – zu dem Riechorgan im Allgemeinen und dem mir zugehörigen im Speziellen nachgegangen.

Zunächst zu dem Autor des Artikels, der beschreibt, dass er eines Tages auf einer Reise unvermittelt seinen Geruchssinn verloren und seitdem nicht mehr wieder erlangt hat. Er meint, dass man als Nichtbetroffener dem Riechorgan vielleicht weniger Bedeutung als den anderen Sinnen beimisst, vor allem dem Hören und Sehen, aber der Verlust des Geruchssinns ist nicht minder einschneidend und einschränkend in der Wahrnehmungsfähigkeit der Umwelt.

Beim Lesen des Artikels erinnerte ich mich an eigene Erfahrungen mit meinem Riecher. Wenn ich einem Menschen begegne, dann entsteht, dass ist wissenschaftlich belegt, innerhalb von wenigen Sekunden in meinem Kopf eine Einschätzung – topp oder hopp, also zumindest ist schon eine Intuition vorhanden. Woran macht sie sich fest?

Was nehme ich zuerst wahr? So genau kann ich das gar nicht sagen. Ich glaube, ich schaue zuerst auf die Augen und den Gesichtsausdruck, dann glaube ich schon auf die äußere Erscheinung, auf die Haltung. Jemand, der aufrecht geht, die Nase horizontal – da haben wir es schon – also nicht darüber aber auch nicht darunter in die Gegend reckt, ringt mir schon ein wenig Respekt ab. Dann kommt auch schon eine gepflegte Erscheinung, darf gerne sportlich sein, aber eben, was soll ich sagen, ohne mich „spießíg“ anzuhören, sauber und ordentlich – hach, hört sich doch spießig an. Also ich meine saubere Kleidung, gepflegte Haare, egal ob kurz oder lang (das haben meine Eltern damals auch immer gesagt, wenn es um mögliche Freunde ging!), und was für mich auch schon ein kleines Aushängeschild ist, saubere Fingernägel.

Mein Sohn sagte mir mal, die Frauen würden beim Mann auf Gürtel und Schuhe schauen. War mir nicht bewusst, bis ich einmal in einem VHS-Kurs einen Teilnehmer hatte, der immer sehr sagen wir akurat, nein sogar elegant, aber nicht aufdringlich gekleidet war. Und er trug immer tadellos geputzte Schuhe. Er war darüber hinaus aber auch außerordentlich sympathisch! Das hat mich dazu veranlasst, jetzt auch verstärkt auf geputzte Schuhe bei mir selbst zu achten. Also bei den Schuhen kann ich meinem Sohn aus eigener Erfahrung beipflichten.

Nun sind dies alles äußerliche Merkmale, die ich bewusst wahrnehme. Dahinter gibt es aber offensichtlich auch ein noch stärkeres und viel schneller reagierendes unterbewusstes Erfassen.

Die  Wahrnehmung des Geruchs fällt wahrscheinlich in den Bereich der konkreten Betrachtung, ist aber auch ein wichtiges Kriterium dafür, ob ich jemanden überhaupt in meine Nähe kommen lasse.

Aber welcher Geruch mir sympathisch ist, kommt woher? Was zieht mich an, was stößt mich ab? Manche Menschen mag es nicht stören, wenn jemand stark schwitzt. Ich bin da bei mir selbst und anderen schon recht empfindlich, obwohl es ja ein ganz natürlicher physiologischer Vorgang ist. Also, dass ich jemanden nicht riechen kann, fängt schon ganz konkret auf der Ebene der Körperausdünstungen an und überträgt sich dann u.U. auf die gesamte Person fort (Vorsicht wieder bei vorschnellen Beurteilungen).

Extrem sensibel habe ich reagiert, als ich die ersten Male in ein Altersheim kam und mich fragte, woher dieser über allem schwebende beißende Geruch kam, den ich so nicht kannte. Ja woher? Die alten Menschen können ihren Urin nicht mehr so halten wie wir – noch jüngeren – oder gar nicht mehr. Und diesen Geruch kriegst du nur ganz schlecht weg. Ja, auch darüber muss man sprechen, wenn es ums Älter werden geht, das zwar heute nicht im Mittelpunkt meines Artikels steht, aber in punkto Geruch auch benannt werden muss. In  diesem Fall können die alten Menschen ja nichts dafür und, auch wenn es Überwindung kostet, das fällt definitiv nicht unter die Ausschlusskriterien.

Nicht nur der unmittelbare Geruch eines Menschen beeinflusst meine Haltung zu ihm oder ihr schon mal ganz erheblich, sondern auch der Geruch seiner Wohnung. Nun, ich weiß nicht, wie meine Wohnung riecht. Komischerweise können wir den Geruch der eigenen vier Wände nicht ausmachen, Wenn ich versuche, mich an den Geruch der Wohnung meiner Mutter zu erinnern, gelingt mir das auch nicht. Also gilt das vielleicht auch für den „Familiengeruch“.

Also, ich habe zumindest die Erfahrung gemacht, dass aus meiner Sicht unangenehme Gerüche an einer Person sich auch in deren Wohnung wieder finden.

Ich weiß, ich bin da sehr empfindlich, d.h. ich könnte auch nicht als Landwirt arbeiten. Ich habe Hochachtung vor allen Menschen, die in der Landwirtschaft oder sonstigen Branchen arbeiten, die von unangenehmen Gerüchen begleitet werden.

Wohin hat mich dieses Thema nun schon wieder getrieben?

Ursprünglich wollte ich davon erzählen, dass mein Leben sich ja mit fortschreitendem Alter immer mehr aus Erinnerungen zusammensetzt und diese Erinnerungen natürlich auch oft mit bestimmten angenehmen oder unangenehmen Gerüchen verbunden sind.

Erinnerungen an Arztpraxen und vor allem Krankenhäuser, deren Geruch ich inzwischen nur noch schwer ertrage. Erinnerungen an Zahnarztpraxen mit ihrem aseptischen Geruch, auch nicht unbedingt angenehm, ganz zu schweigen von den schon genannten Altersheimen (wenn ich mich mal entscheiden müsste für ein Altersheim, dann würde ich zuallererst nach einem suchen, in dem die oben beschriebenen Gerüche gut im Zaum gehalten werden!!!

Angenehme (Geruchs-)Erinnerungen habe ich natürlich immer wieder an das Meer. Das ist ja im Normalfall „reine“ Luft – so möchte ich es einfach glauben. Was für ein Unterschied, wenn ich mich aus meiner „Großstadt“ dem Meer nähere. Da habe ich schon mal richtige Geruchsglücksmomente.

Solche Geruchserlebnisse und die Verbindung von Gerüchen mit bestimmten Ereignissen, Orten oder Menschen kennt sicher jeder selbst. Die Empfindung von etwas als gut riechend ist subjektiv und so will ich auch meine Ausführungen verstanden wissen. Etwas, das ich als gut riechend empfinde, muss für einen anderen Menschen nicht das gleiche bedeuten.

Ich schätze dezent angenehm riechende Personen mit entsprechender Körperhygiene, vielleicht mit etwas Parfüm oder was Männer so benutzen. Meine Vermutung dahinter ist, dass wir vielleicht schon rein intuitiv erfassen, welcher Mensch und welcher Geruch zu uns passt. Wäre doch irgendwie genial, oder? Es gibt bestimmt auch so etwas wie eine Geruchsaffinität zwischen Menschen. Dazu würde passen, dass sich, wie ich kürzlich gelesen habe, Männer und Frauen anziehen, die sich in ihrer genetischen Grundstruktur ähnlich sind. Also ganz tief in der Evolution angelegte Mechanismen für das Überleben der Spezies. Vielleicht gilt das eben auch schon für den Geruch.

Ja, ich glaube, das ist die Quintessenz dieses Artikels, die sich unvermittelt eingestellt hat.

Und damit viele schöne Geruchs- und sonstige Erlebnisse!

 

 

Prognosen für den Homo sapiens

Mal schauen, ob ich es hinbringe, den o.g. Artikel aus meiner Lieblingszeitung bzw. aus der Sonderbeilage vom 16. Juni 2016 der „Zeit“ in der Kurzfassung wider zu geben.

Es passiert relativ selten, dass ich mir die Zeit nehme – hahaha – und einen so langen Artikel oder wie in diesem Fall muss man es wohl einen Essay nennen (ich weiß nicht mehr wirklich, wie man den definiert, aber egal) bis zum Ende lese. Aber als ich einmal angefangen hatte, musste ich mich dadurch beißen, weil der Autor Klaus-Dieter Rauser die Frage gestellt hat, ob der Homo sapiens noch zu retten ist, oder ob es schon zu spät ist.

Seine These lautet, dass die Überbevölkerung die eigentliche Ursache für den derzeitigen Zustand der Erde ist mit dem daraus resultierenden übermäßigen Verbrauch von Ressourcen, Umweltverschmutzung, Klimawandel, kriegerischen Auseinandersetzungen usw.

Der Mensch konnte sich aufgrund seiner genetischen Ausstattung gegenüber den anderen Arten durchsetzen. Was zunächst als Vorteil erscheint und der Spezies Mensch das Überleben gesichert hat, könnte sich im Hinblick auf die Arterhaltung hingegen als Gen-Defekt auswirken, da sich der Mensch mehr und mehr und ohne natürlichen Feinde vermehren, sich die Ressourcen zu eigen machen bzw. ausbeuten konnte.

Der Autor schlägt vor, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen vom gegenwärtig herrschenden Idealbild des jeder kämpft für sich allein zu einer neuen solidarischen Bewegung für die Erhaltung der Spezies Mensch. Diese Bewegung soll in ein sich selbst regulierendes System münden, in dem sich die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft aus sich selbst heraus neu ausrichten und sich „artgerecht“ verhalten. Dabei macht man sich zunutze, dass der Mensch neben Nahrung, Schlaf, Sex und Schutz ein elementares Bedürfnis nach positivem Feedback aus seiner Umgebung hat. Weil alle Versuche, den Menschen durch religiöse Vorschriften, Gesetze, gesellschaftliche Konventionen zu „regulieren“, inzwischen zu zahnlosen Spielregeln verkommen sind, muss sich ein artgerechtes Verhalten für den einzelnen lohnen, in seinem ureigenen Interesse liegen, z. B. durch eine höhere Positionierung innerhalb der Gemeinschaft/Gesellschaft bzw. eine Herabstufung im Falle eines nicht artgerechten Verhaltens.

Der Mensch ist auf ein soziales Gefüge überlebenswichtig angewiesen. Er orientiert sich ständig an den Handlungen und Einschätzungen seiner Mitmenschen und sucht seinen Platz in diesem Gefüge. Dabei ist er bereit, sich den Erwartungen seiner Umgebung anzupassen und ggfs. mögliche Limitierungen hinzunehmen. Der Zugang zu Ressourcen ist abhängig von der Positionierung des Einzelnen in der Gemeinschaft. Der Paradigmenwechsel beruht nun einem positiven Feedback und entsprechender Anerkennung und Positionierung für ein artgerechtes Verhalten.

Zunächst muss eine Base Line, eine Ausgangslage – definiert werden, um ein möglichst umfassendes Bild von dem aktuellen Zustand der Erde zu erhalten und zu ermitteln, mit welchen Mitteln dieser Zustand verbessert werden kann. Aus den Erkenntnissen der Vergangenheit werden Prognosen für mögliche Szenarien/Entwicklungen in der Zukunft erstellt, die ständig an der Realität gemessen und ggfs. korrigiert werden.

Jedes Individuum wird dann im Idealfall sein eigenes Verhalten an dem Ziel einer Verbesserung ausrichten, da es mit einem positiven Feedback rechnen kann.

Wahrscheinlich habe ich mich durch den Artikel gefressen, weil mir das Thema der „Arterhaltung“ , der Zustand der Erde und die Konflikte aller Orten sicher genauso auf den Nägeln brennt, wie vielen anderen Menschen auch, die nicht nur auf ihren kurzfristigen Eigennutz schauen nach dem Motto „nach mir die Sintflut“. Es ist mal ein für mich ganz neuer Denkansatz. Der Autor meint, dass so eine Entwicklung durchaus friedlich vonstattengehen könnte, wobei er andererseits einräumt, dass diejenigen, die die Macht über die Ressourcen haben, diese Macht sicher nicht freiwillig abgeben und alles daran setzen werden, sie zu erhalten. Es hört sich für mich auch arg nach Manipulation an. Ja. Andererseits: wir werden doch ständig manipuliert. Am augenfälligsten in der Werbung, die uns unsere Bedürfnisse suggeriert. Also warum die Menschen nicht auch in gewisser Weise manipulieren, um sie auf eine andere Schiene zu bringen, die unser Überleben sichern könnte, wenn das überhaupt noch möglich ist.

Leider ist es wahrscheinlicher, dass es erst noch zu viel größeren Katastrophen kommen muss, bis ein kollektives Bewusstsein für einen Paradigmenwechsel entsteht, und dann könnte es schon zu spät sein.

Abschließend sei noch hinzugefügt, dass der Autor seinen Artikel selbst als Gedankenspiel bezeichnet hat. Aber es ist glaube ich allerhöchste Zeit, neue und ganz ungewohnte Gedanken zu entwickeln.

Ich freue mich auf eure Kommentare zu diesem sicher nicht einfachen Themen.

Schwer jetzt die Kurve zu kriegen für einen positiven Schluss dieses Beitrages.

Andererseits: nichts ist unmöglich!

 

Die Macht meiner Gedanken

 

Die Frage nach der eigenen Identität und den Möglichkeiten, das Leben selbstbestimmt zu gestalten und gegebenenfalls auch in neue Bahnen zu lenken, beschäftigt mich nicht erst seit gestern, aber in meinem jetzigen Lebensabschnitt noch einmal intensiver. Dabei bin ich letzte Woche wieder einmal in der „Zeit“ auf einen Artikel gestoßen, der der Frage und den Forschungen auf diesem Gebiet nachgeht, in wie fern nicht das Sein das Bewusstsein bestimmt, wie Karl Marx es postuliert hat, sondern umgekehrt, das Bewusstsein das Sein. Mit anderen Worten: „Wie viel Macht haben Gedanken über uns?“[1]

Während die Menschen im Mittelalter die Frage nach dem, was wir sind, vermutlich mit dem Willen Gottes oder der Macht des Schicksals begründet hätten, und Sigmund Freud im 20. Jahrhundert das Unbewusste als Triebkraft entdeckte, stellt die Harvard-Professoren Ellen Langer vielmehr die These auf, dass unsere Handlungen größtenteils auf Annahmen über die Welt beruhen, die uns im Laufe unseres Lebens vermittelt oder eingebläut wurden. Für sie ist das entscheidende Stichwort „Mindfulness“ – Achtsamkeit in dem Sinne, sensibel zu werden für die Frage, ob das, was ich über mich und die Welt denke, auch tatsächlich der Realität entspricht.

Der Artikel beschreibt eines ihrer bekanntesten Experimente, in dem sie Anfang der 80er Jahre alte Herren um die 80 in ein Kloster einlud, in dem alles so eingerichtet war, wie zu der Zeit, als die Probanden zwanzig Jahre jünger waren, einschließlich der Fernsehsendung „Rauchende Colts“ (ja, die Serie habe ich damals auch gerne geschaut, auch wenn ich – doch noch ein wenig jünger bin). Es stellte sich heraus, dass die alten Männer, die es bis dahin gewohnt waren, dass man sie betreut und gepflegt hatte, innerhalb einer Woche wieder viel selbständiger geworden waren, sich ihre Mahlzeiten selbst zubereiteten und auch in Intelligenztest deutlich besser abschnitten als zuvor. Die Frage, ob das Altern auch nur ein Produkt der eigenen Einstellung ist, erscheint mir denn doch zu kühn. Nicht allerdings der Gedanke, dass Menschen wesentlich fitter bleiben, wenn sie noch gefragt sind, Aufgaben erfüllen können und ihrem Leben so noch einen Sinn geben können, und sei es nur, dass sie ein Kreuzworträtsel lösen, leichte Gymnastik betreiben oder beim Backen und Kochen helfen.

Das Verfahren, um Menschen aus ihren gewohnten, angelernten Verhaltensweisen heraus zu holen, nennt Langer „Reframing“, d. h. nichts anderes, als die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Sie stellt grundsätzlich alles in Frage, denn wer legt fest, dass etwas so und nicht anders ist, wer bestimmt, was richtig und falsch ist. Das gilt selbstverständlich auch für unser (Vor-)urteil über bestimmte gesellschaftliche Gruppen, wie z.B. über Ausländer,  Flüchtlinge, Homosexuelle und sonstige Gruppen, die sich als Sündenböcke eignen.

Ein Beispiel aus der Forschung: Weiße Amerikaner schnitten in einem Test wesentlich schlechter ab, nachdem man ihnen mitgeteilt hatte, sie würden gemeinsam mit asiatischen Kommilitonen schreiben und die Ergebnisse später verglichen.

Veränderungen im Denken und Handeln sind aber nur möglich, wenn sich die Menschen ihrer vorgefassten Meinungen und deren Konsequenzen erstmal bewusst werden.

Interessanterweise haben Forschungen ergeben, dass es nicht reicht, positiv zu denken (die Zusammenhänge will ich hier nicht im Einzelnen schildern), sondern dass es erforderlich zu sein scheint, dass Menschen sich nicht nur gedanklich positiv auf eine Veränderung einstellen, sondern gleichzeitig Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin mitdenken. Die Idee dahinter ist, sich das Ziel und die Hindernisse auf dem Weg dorthin innerlich so anschaulich wie möglich vorzustellen. Negative „mind sets“ – Selbstbilder – können überwunden werden, indem man sich u.a. positive Erlebnisse vor Augen führt und in schwierigen Situationen abrufen kann wie z.B. ein Sportler, der auf einen Konkurrenten trifft, gegen den er bisher immer verloren hat und  sich Bilder von einem erfolgreichen Rennen vor Augen führt.

Die Kraft der Gedanken habe ich als jugendliche Turnerin regelrecht am eigenen Leib erfahren. Man nannte es damals schon mentales Training: Ich sollte mir einen Bewegungsablauf beispielsweise am Stufenbarren mental in allen Einzelheiten vorstellen. Wenn mir dieser Schritt gelang, konnte ich die Übung ausführen! Das müsste doch eigentlich auch mit anderen Dingen wie Aufhören zu rauchen oder Abnehmen passieren. Dazu noch was aus eigener Erfahrung: Das Abnehmen ist immer wieder einmal Thema, und auch hier habe ich bemerkt, dass ich im Kopf dazu bereit sein muss. Vor einigen Jahren konnte ich auf einmal regelrecht den Schalter im Kopf umlegen und abnehmen. Vielleicht noch ein anderes Beispiel dafür, dass man Verhaltensweisen und Einstellungen ändern kann: Als mein Sohn so um die 18/20 Jahre alt war, gab’s immer wieder harte Auseinandersetzungen um das Thema Aufräumen. Ich war immer so wütend und schimpfte und schimpfte. Aber alles half nichts bis …. ich, ich weiß nicht, wie das geschah, plötzlich meine Einstellung änderte und mich (fast) nicht mehr aufregte. Von da an schmiss ich seine rumliegenden Sachen stumpfweg in sein Zimmer und räumte dort auch nicht mehr auf. Sicherlich, mein Sohn ist immer noch kein Meister im Aufräumen, und wenn er zu Besuch ist, nervt er mich immer noch mal, aber ich kann’s gelassen nehmen und unsere Beziehung ist sehr gut. Und er verändert auch immer noch mal sein Verhalten, wenn wir uns in Gesprächen darüber auseinandersetzen. Nun hat er es sich auch explizit auf seine Fahnen geschrieben, sich immer neuen Erfahrungen auszusetzen und sein Verhalten ggfs. zu ändern.

Zum Schluss noch ein längeres Zitat aus dem genannten Artikel:

„Die Wirklichkeit ist – nach Kopp-Wichmann – das, was ich sehen will. Welche Bedeutung wir Ereignissen geben, hängt von unseren Erfahrungen ab, daraus entsteht eine „innere Landkarte“. Wer mit dieser Landkarte vertraut ist, kann laut Kopp-Wichmann nicht nur einzelne Verhaltensweisen verändern, sondern sein gesamtes Selbstbild….Hinderliche Selbstbilder versucht Kopp-Wichmann zu verändern. Das funktioniert nicht in zwei, drei Sitzungen, aber es kann der Beginn einer langsamen Umorientierung sein“ (a.a.O., S. 23).

Man darf nebenbei bemerkt nicht vergessen, dass das, was wir über uns selbst denken, auch das beeinflusst, was andere von uns denken im Sinn einer self fulfilling prophecy.

Hört sich alles einfacher an, als es ist, sage ich jetzt mal so dahin. Aber es ist auch nicht unmöglich.

 

Meine LeserInnen mögen verzeihen, wenn ich nicht alles korrekt zitiert oder als zitiert markiert habe. Ist schließlich keine Doktorarbeit, sondern nur eine Anregung und die Quelle ist hinreichend dokumentiert.

 

Würde mich über Kommentare freuen…wie immer

 

[1] Zeitmagazin, Nr. 22, Mai 2016, S. 16

Noch mal Flüchtlinge…

Ich bin immer noch dabei, in der Ausgabe der „Zeit“ vom 23.03.2016 zu lesen und komme nicht umhin, dass Thema der Flüchtlinge noch einmal aufzunehmen. Wie auch mir nicht entgangen ist, hat Norbert Blüm, der ehemalige Bundesarbeitsminister – am meisten im Gedächtnis geblieben durch seinen Ausspruch, dass die Rente sicher ist – das Flüchtlingscamp in Idomeni besucht und dort eine Nacht verbracht. Er schildert in dem Artikel „Ich will Nachricht geben“ seine Gedanken und Erlebnisse. Viele mögen ihn für verrückt halten oder schlimmer noch ihm unterstellen, dass er die Aktion für die eigene Publicity gemacht hat. Ich halte das für unerträglich. Ich ziehe meinen Mut vor Norbert Blüm, dass er sich in seinem hohen Alter dieser Strapaze und dieser menschlichen Herausforderung stellt, um der Welt aus der direkten Erfahrung heraus zu berichten, was sich in Idomeni abspielt.

Er geht hart ins Gericht mit den europäischen Politikern, die sich allesamt des Abends in ihre warmen Betten liegen und sich vielleicht noch selbst und gegenseitig rühmen, dass sie die Flüchtlingskrise nun in den Griff bekommen.

„Wir“ scheinen ja auch nicht nur insgeheim froh darüber zu sein, dass der Flüchtlingsstrom jetzt rapide abgenommen hat und man die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze jetzt schon bald wird aufheben könnte (Ankündigung von de Mazière von heute).

In der gleichen Ausgabe der Zeit äußert sich Joschka Fischer zu der Frage, ob man mit autokratischen Staatoberhäuptern wie Putin reden sollte. Er bejaht dies, da Blockade und Einstellen der Beziehungen keine Alternativen und darüber hinaus gefährlich seien. Weiterhin beschreibt Fischer das Dilemma, in dem sich demokratische Staaten befinden, die sich einerseits ein Wertesystem gegeben haben, das auf der Einhaltung der Menschenrechte und der Menschenwürde fußt, anderseits aber natürlich auch knallharte politische Interessen verfolgen (müssen), also Werte gegen Interessen. Wenn ich Frau Merkel bei ihren Auftritten beobachte, habe ich den Eindruck, dass sie sich seit ihrer Begegnung mit dem pakistanischen Mädchen in einer Fernsehsendung verändert hat, dass sie diese Begegnung tief berührt und sie innerlich vielleicht auch erschüttert hat.

Nun ist sie in der Folge wieder mit der Realpolitik konfrontiert worden, die ihr einerseits den Widerstand der meisten europäischen Staaten und anderseits Drohgebärden aus der sogenannten Schwesterpartei und den eigenen Reihen beschert und sie gezwungen hat, sich den Bedingungen anzupassen und Lösungen zuzustimmen, die sie persönlich so vielleicht nicht getroffen hätte. Ich räume ein, dass ich nicht sicher bin, ob ich da richtig liege.

Um den Bogen zu schlagen zu Norbert Blüm: Er steht nicht mehr auf der politischen Bühne und kann jetzt endlich das sagen, was ihn bewegt und aus der moralischen Perpektive argumentieren Ich finde es sehr wichtig, dass Menschen wie er uns immer wieder vor Augen führen, dass es nicht in Ordnung ist, was dort in Idomeni und anderswo passiert, und dass wir uns nicht zuviel Sand in die Augen streuen lassen von denjenigen, die behaupten, dass das alles mit „rechtstaatlichen“ Mitteln vonstatten geht.

Gut, meine Perspektive ist auch moralisch und vielleicht christlich orientiert, aber was ist denn mit uns Menschen, wenn wir uns dieser Kategorie im Denken und Handeln entledigen mit dem Hinweis auf die politischen Zwänge.

Andererseit erkenne ich natürlich an, dass die Politik beide Seiten im Auge behalten muss. Zurück zu den Gedankengängen von Joschka Fischer, der schreibt, dass man mit Assad reden müsse, „solange er über die Macht verfügt, dem Morden in Syrien vielleicht ein Ende zu bereiten“. Bezüglich der Türkei fährt er fort “ Die EU wird ihre südöstlichen Außengrenzen nich ohne Kooperation mit der Türkei schützen können. Darüber hinaus spielt das Land im Nahen Osten bis hin nach Zentralsaien geopolitisch eine bedeutende Rolle…“ Auch dieser Argumentation kann ich mich nicht entziehen. (Einschub: Der Begriff der Sicherung der Außengrenzen geht mir auf die Nerven, d.h. doch mit anderen Worten nichts anderes, als das wir die Flüchtlinge eigentlich gar nicht haben wollen, dass sie gefälligst draußen zu bleiben haben. Die Flüchtlinge in Idomeni werden aktuell geopfert für diese Politik der Abschottung und Abschreckung!)

Fischers Schlussfolgerung: „Die Kunst demokratischer Außenpolitik besteht darin, vor allem die langfristigen Weichenstellungen so vorzunehmen, dass möglichst wenige Widersprüche zwischen Werten und Interessen auftreten und tagtäglich die Balance zwischen beiden Teilen ihrer Fundamente gelingt“. Ich frage mich allerdings, wo im Moment die Werte noch ihren Ausdruck in der konkreten Politik finden, was das für Werte sind, auf die die EU sich aktuell gründet und ob z. B. das gestrige Nein der Niederländer zum Assoziierungsvertrag mit der Ukraine nicht schon der Anfang vom Ende der EU ist.

So, das musst jetzt einfach raus zu den politischen Ereignissen. Irgendwo muss man/frau ja hin mit den Gedanken.

Es grüßt euch

Claudia